Erfinderische Tätigkeit
Shownotes
In dieser Folge diskutieren Michael Stadler und Gerd Hübscher das Thema der erfinderischen Tätigkeit im europäischen Patentrecht. Sie erklären, dass eine Erfindung, um patentfähig zu sein, nicht nur neu sein muss, sondern auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhen muss. Das Kriterium der erfinderischen Tätigkeit wird im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) in Artikel 56 definiert, wobei in der Praxis der in der Rechtsprechung sogenannte Aufgabe-Lösungs-Ansatz verwendet wird, um zu prüfen, ob erfinderische Tätigkeit vorliegt oder nicht.
Dabei wird zunächst der nächstliegende Stand der Technik bestimmt und die Unterschiede zur Erfindung analysiert und deren technische Wirkung bestimmt. Anschließend wird die technische Aufgabe definiert, die der Fachmann ausgehen vom nächstliegenden Stand der Technik zu lösen hätte, um den technischen Effekt zu erreichen. Anhand des sogenannten Could-Would-Approachs wird dann beurteilt, ob die Erfindung naheliegend ist oder nicht. Der Fachmann kann nämlich nur dann zur beanspruchten Lösung gelangen, wenn er tatsächlich einen technischen Anreiz hätte, verschiedene Elemente des Standes der Technik zu kombinieren (er würde sie also kombinieren) und nicht nur, weil er diese Elemente grundsätzlich kombinieren könnte. Liegt jedoch kein solcher Anreiz vor, wird eine erfinderische Tätigkeit in der Regel bejaht.
Zitierte Rechtsvorschriften, Artikel und Regeln:
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00:00:06: Willkommen zum IP Courses Podcast,
00:00:10: dem Podcast für gewerblichen Rechtsschutz.
00:00:15: Mein Name ist Michael Stadler,
00:00:16: heute spreche ich mit Gerd Hübscher über
00:00:18: erfinderische Tätigkeit.
00:00:19: Hallo Gerd.
00:00:20: Hallo Michael.
00:00:22: Wir haben schon über das Konzept der Neuheit gesprochen.
00:00:25: Neuheit allein reicht aber nicht,
00:00:27: sondern es ist auch maßgeblich, dass eine Erfindung,
00:00:30: um patentrechtlich schutzfähig zu sein,
00:00:32: auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht,
00:00:34: oder kurz erfinderisch ist.
00:00:36: Damit wollen wir uns heute näher beschäftigen.
00:00:39: Wo finden sich denn eigentlich die Vorschriften zur
00:00:42: erfinderischen Tätigkeit im EPÜ geregelt?
00:00:45: Die kurze Antwort könnte lauten: Fast nirgends.
00:00:49: Während die Neuheit im Artikel 54 geregelt ist,
00:00:52: ist die erfinderische Tätigkeit nur sehr kurz im Artikel 56
00:00:55: geregelt.
00:00:57: Im Artikel 56 steht nicht mehr und nicht weniger,
00:01:00: als dass eine Erfindung dann auf einer erfinderischen
00:01:02: Tätigkeit beruht,
00:01:04: wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise
00:01:06: aus dem Stand der Technik ergibt.
00:01:09: Das ist aber für die Praxis noch nicht wirklich hinreichend,
00:01:12: um zu beurteilen, ob ein Patenteinspruch erfinderisch ist
00:01:15: und bei diesem Hintergrund muss man auf die Rechtsprechung
00:01:17: zurückgreifen.
00:01:19: Gehen wir wieder von unserem Kaffeebecher aus.
00:01:22: Angenommen, es gibt jetzt eine Recherche zu unserer
00:01:24: Erfindung und wir kommen darauf, die Erfindung ist neu,
00:01:29: weil sie sich vom Stand der Technik in einem bestimmten
00:01:31: Merkmal unterscheidet.
00:01:33: Beispielsweise haben wir den Kaffeebecher und was an dem neu
00:01:36: ist, eben die Manschette aus dem wärmeisolierenden Material.
00:01:40: Wie prüfe ich jetzt, ob diese Erfindung nicht nur neu ist,
00:01:43: sondern auch erfinderisch?
00:01:46: Die Problematik bei der Prüfung ob eine Erfindung für den
00:01:49: Fachmann naheliegt oder nicht ist die, dass eine Erfindung,
00:01:52: wenn sie einmal bekannt ist,
00:01:54: zumindest die guten Erfindungen naheliegend wirken.
00:01:57: Man stellt sich die Frage,
00:01:59: warum haben wir das eigentlich nicht schon immer so gemacht?
00:02:01: Um diese rückschauende Betrachtung auszuschließen,
00:02:05: hat sich in der Rechtsprechung der sogenannte
00:02:07: Aufgabe-Lösungs-Ansatz herausgebildet.
00:02:09: Dieser Aufgabe-Lösungs-Ansatz besteht aus verschiedenen
00:02:12: Schritten die wir gemeinsam durchgehen wollen.
00:02:15: Zunächst einmal ist es entscheidend,
00:02:16: dass ich den nächstliegenden Stand der Technik bestimme.
00:02:19: Das wäre also das Dokument,
00:02:21: das im Rahmen der Recherche aufgefunden wurde.
00:02:24: Und ich schaue mir an,
00:02:25: welche Unterscheidungsmerkmale bestehen gegenüber diesem
00:02:28: nächsten Stand der Technik.
00:02:31: Dann kann ich diesen einzelnen Unterscheidungsmerkmal einen
00:02:34: technischen Effekt bemessen und kann mir überlegen,
00:02:37: welche objektive technische Aufgabe lässt sich denn aus
00:02:39: diesem technischen Effekt ableiten.
00:02:42: Das ist also nicht unbedingt die Aufgabe,
00:02:44: sich der Erfinder gestellt hat, sondern die Aufgabe,
00:02:47: die sich aus dem Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der
00:02:50: Technik objektiv ergibt.
00:02:52: Und dann stellt sich die Frage,
00:02:54: liegt die Lösung dieser Aufgabe im Lichte des übrigen
00:02:58: umliegenden Standes der Technik für den Fachmann nahe oder
00:03:01: nicht?
00:03:02: Zusammenfassend kann man also sagen,
00:03:04: um erfinderische Tätigkeit beurteilen zu können,
00:03:07: spiele ich den Entwicklungsprozess einer Erfindung
00:03:09: ein wenig nach.
00:03:10: Ich muss mir zunächst einen nächstkommenden Stand der
00:03:13: Technik suchen,
00:03:14: der praktisch als Ausgangspunkt für unseren Fachmann dient
00:03:17: und die Unterschiede zwischen diesem nächstkommenden Stand
00:03:20: der Technik und der Erfindung,
00:03:22: also unserem Patentanspruch identifizieren.
00:03:24: Dann schaue ich mir an,
00:03:26: welche Effekte sich aus dem Unterschied ergeben und darauf
00:03:28: basierend stelle ich dann dem Fachmann eben die Aufgabe.
00:03:33: Die Frage stellt sich,
00:03:35: kann der Fachmann diese Aufgabe lösen und kommt er im
00:03:39: Bestreben diese Aufgabe zu lösen, zur Erfindung oder nicht?
00:03:43: Wenn er das schafft, dann liegt keine erfinderische
00:03:45: Tätigkeit vor, die Erfindung ist also naheliegend.
00:03:48: Jetzt findet ein Prüfer im Recherchenbericht typischerweise
00:03:51: mehrere Dokumente, die Stand der Technik bilden.
00:03:54: Und oft habe ich ja die Situation,
00:03:56: dass unterschiedliche Merkmale aus unterschiedlichen
00:03:59: Dokumenten aus dem Stand der Technik bekannt sind.
00:04:02: Zum Beispiel,
00:04:03: wir haben etwa unseren Becher mit einer Manschette aus einem
00:04:06: besonderen Material als Erfindung.
00:04:09: Bekannt sind Becher ohne Manschetten einerseits und
00:04:11: andererseits auch das Material selbst,
00:04:13: aus dem die Manschette gemacht ist.
00:04:16: Was ist denn jetzt unser nächstkommender Stand der Technik,
00:04:18: von dem wir einmal ausgehen?
00:04:21: Der nächstliegende Stand der Technik ist üblicherweise
00:04:23: der, der die beste Ausgangssituation bzw.
00:04:27: das beste Sprungbrett für den Fachmann bietet,
00:04:30: um zur Erfindung zu gelangen.
00:04:33: Das beste Sprungbrett sind typischerweise solche
00:04:35: Veröffentlichungen, also Dokumente,
00:04:37: die schon möglichst viele Merkmale zeigen,
00:04:40: die aber auch am gleichen technischen Gebiet liegen wie die
00:04:42: Erfindung.
00:04:44: In unserem Beispiel ist es sehr sehr wahrscheinlich,
00:04:47: dass wenn es um Becher geht mit einer Manschette,
00:04:49: dass ich dann nicht von der Manschette ausgehe,
00:04:52: sondern vom Becher, weil ja der Becher das grundlegende
00:04:54: Element ist, also der Bezugspunkt, um das es geht.
00:04:59: Das Material umgekehrt ist beliebig wahrscheinlich für viele
00:05:02: Einsatzzwecke verwendbar und hat keinen unmittelbaren Bezug
00:05:05: zum Becher.
00:05:08: Vor allem vor dem Hintergrund wäre also hier der
00:05:10: nächstliegende Stand der Technik der Becher ohne Manschette.
00:05:14: Wenn tatsächlich mehrere nächstliegende Stand der Technik
00:05:17: Dokumente in Frage kommen,
00:05:19: dann muss grundsätzlich der Anmelder den ungünstigsten
00:05:21: Ausgangspunkt für sich gelten lassen.
00:05:24: Es kann also in der Praxis durchaus vorkommen,
00:05:26: dass man auch unterschiedliche nächstliegende Stand der
00:05:29: Technik Dokumente berücksichtigt und dann eben wahlweise die
00:05:32: Argumentation gegenüber all diesen nächstliegenden Stand der
00:05:35: Technik Dokumenten durchspielt.
00:05:37: Sofern aber nur ausgehend von einem Dokument,
00:05:40: das naheliegend für den Fachmann bejaht werden muss,
00:05:43: dann heißt das auch insgesamt,
00:05:44: dass die erfinderische Tätigkeit zu verneinen ist.
00:05:49: Der nächstkommende oder nächstliegende Stand der Technik
00:05:52: ist also immer ein gutes Sprungbrett,
00:05:54: von dem der Fachmann ausgehen würde,
00:05:56: um zur Erfindung zu gelangen.
00:05:58: Das ist typischerweise eine Vorveröffentlichung,
00:06:01: die auf dem gleichen Gebiet stattgefunden hat,
00:06:03: wie die Erfindung selbst.
00:06:05: Wenn wir bei unserem Becher also jetzt die Situation haben,
00:06:09: entweder auch einen Becher als nächstkommenden Stand der
00:06:11: Technik zu wählen oder das Material,
00:06:13: aus dem die Manschette besteht,
00:06:15: dann wird es wahrscheinlich der Becher werden.
00:06:17: Eines der beiden Wörter im Aufgabe-Lösungs-Ansatz heißt
00:06:21: ja Aufgabe.
00:06:22: Was hat es mit dieser auf sich und wie bestimme ich denn
00:06:24: jetzt diese Aufgabe?
00:06:26: Die Aufgabe wirkt unscheinbar,
00:06:28: ist aber tatsächlich einer der wesentlichen Dreh-
00:06:31: und Angelpunkte des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes.
00:06:34: Und zwar ganz einfach vor dem Hintergrund,
00:06:36: dass die Aufgabe den größten Spielraum bietet für die
00:06:38: Argumentation.
00:06:40: Es muss nämlich gar nicht zwingend die Aufgabe sein,
00:06:42: die sich der Anmelder selbst gestellt hat oder die in der
00:06:45: Anmeldung geschrieben steht.
00:06:46: Die Aufgabe kann auch neu formuliert werden im Vergleich zum
00:06:49: nächstlegenden Stand der Technik oder eben in der
00:06:51: Betrachtung der Unterscheidungsmerkmale zum nächstlegenden
00:06:53: Stand der Technik.
00:06:55: Und der Ausgangspunkt für die Formulierung der Aufgabe ist
00:06:58: immer der Effekt,
00:06:59: also der technische Effekt dieses Unterscheidungsmerkmals.
00:07:03: Im einfachsten Fall ist die Aufgabe dann einfach diesen
00:07:06: Effekt zu bewirken.
00:07:08: Idealerweise liegt die Aufgabe aber weiter weg bzw.
00:07:11: ist noch eine Spur abstrakter formuliert.
00:07:14: Wenn wir auf unser Beispiel zurückkommen und den Becher
00:07:16: haben, ohne Manschette und wir gehen davon als
00:07:18: nächstlegenden Stand der Technik aus,
00:07:20: dann ist das Unterscheidungsmerkmal die Manschette,
00:07:23: die den Becher umgibt und die hat den technischen Effekt
00:07:26: einer bestimmten Wärmeisolation.
00:07:28: Das könnte ich als objektive technische Aufgabe formulieren,
00:07:32: einfach eine bestimmte Wärmeisolation vorzusehen.
00:07:35: Ich kann aber auch noch einen Schritt weiter zurückgehen und
00:07:37: sagen, ich möchte verhindern,
00:07:38: dass sich ein Benutzer des Bechers verbrennt,
00:07:40: wenn er daraus ein heißes Getränk
00:07:42: trinkt.
00:07:44: Das bedeutet, die objektive Aufgabe,
00:07:47: die man dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz zugrunde legt,
00:07:50: ist grundsätzlich beim nächstkommenden Stand der Technik den
00:07:53: Effekt zu bewirken,
00:07:55: der sich eben aus dem Unterscheidungsmerkmal ergibt.
00:07:57: Es besteht aber die Möglichkeit noch einen Schritt weiter
00:08:00: zurückzugehen und die Aufgabe noch etwas abstrakter zu
00:08:03: formulieren, z.B.
00:08:04: anstelle der Wärmeisolierung die praktische Aufgabe der
00:08:08: Verbrennungssicherheit zu wählen.
00:08:11: Was jetzt die Eigenschaften und Effekte unseres Materials
00:08:14: betrifft, diese behauptet der Anmelder ja nur.
00:08:17: Gerade bei chemischen Erfindungen kann man ja nicht einfach
00:08:21: vom Papier der Anmeldung aus entscheiden, ob dieser Effekt,
00:08:25: in unserem Fall die Wärmeisolierung,
00:08:26: auch tatsächlich besteht.
00:08:28: Wie gehe ich denn grundsätzlich vor, wenn ich prüfen möchte,
00:08:31: ob so ein technischer Effekt tatsächlich besteht?
00:08:35: Tatsächlich ist die Zuordnung technischer Effekte zu den
00:08:38: einzelnen Unterscheidungsmerkmal nicht immer einfach.
00:08:40: Nicht allein im Bereich der Chemie wo der Effekt nicht immer
00:08:42: klar ist, sondern schon allein deswegen weil in der
00:08:45: Beschreibung nicht immer zu jedem Merkmal ein Effekt
00:08:47: angegeben sein muss.
00:08:48: Das heißt, zum Teil muss ich da ohnehin schon auf das Wissen
00:08:51: des Fachmanns zurückgreifen.
00:08:54: In der Chemie reicht aber auch das nicht.
00:08:56: Oftmals ist hier nicht einmal klar,
00:08:58: ob eine bestimmte Zusammensetzung überhaupt einen
00:09:00: technischen Effekt bringt oder nicht.
00:09:02: Und bei diesem Hintergrund ist es bei Anmeldungen auf dem
00:09:05: Gebiet regelmäßig erforderlich,
00:09:06: dass ich nicht nur eine Behauptung in die Beschreibung
00:09:09: aufstelle, sondern auch entsprechende Nachweise bringe,
00:09:12: dass eben der behauptete Effekt tatsächlich eintritt.
00:09:17: Dieses Problem kann aber nicht erst in der Anmeldung und im
00:09:19: Anmelderverfahren auftreten,
00:09:21: sondern zum Beispiel auch später im Einspruchsverfahren.
00:09:23: Und dann ist es auch möglich,
00:09:24: die tatsächliche Wirkung oder den tatsächlichen Eintritt
00:09:27: eines technischen Effekts beispielsweise durch
00:09:29: Vergleichsversuche nachzuweisen.
00:09:32: Das heißt also ob ein technischer Effekt jetzt wirklich
00:09:34: besteht oder nicht, ist eine rein faktische Fragestellung,
00:09:39: die man zur Not mit Vergleichsversuchen beweisen muss.
00:09:42: Wenn sich also der Effekt nicht einfach dadurch ergibt,
00:09:46: dass es für jeden offensichtlich ist,
00:09:48: dass ein solcher besteht,
00:09:49: kann man im Verfahren gezwungen sein,
00:09:51: hier Vergleichsversuche vorzubringen,
00:09:53: um den Effekt entsprechend nachzuweisen.
00:09:55: Kommen wir nun zum Naheliegen.
00:09:57: Kannst du uns da anhand unseres Kaffeebechers ein Beispiel
00:10:00: geben,
00:10:01: wann der jetzt aufgrund eines Standes der Technik nahe liegt
00:10:03: und wie man das nachweisen kann?
00:10:05: Gehen wir für das Beispiel davon aus, dass der
00:10:07: nächstliegende Stand der Technik der Becher ohne
00:10:09: Manschette ist.
00:10:11: Im einfachsten Fall haben wir vielleicht einen umliegenden
00:10:14: Stand der Technik, zeigt,
00:10:15: dass man für Gläser eine Manschette zur Wärmeisolation
00:10:18: vorsehen kann.
00:10:19: Dann würde der Fachmann ohne Weiteres die technische Lehre,
00:10:22: nämlich eine Manschette auf ein anderes,
00:10:24: heißes Gefäß zu übertragen auf den Becher anwenden.
00:10:28: Das ist aber nicht immer der Fall.
00:10:30: Es könnte ein Stand der Technik existieren,
00:10:31: der eben zum Beispiel nur das Material der Manschette
00:10:33: offenbart,
00:10:34: aber nicht die Fertigung einer Manschette aus
00:10:36: diesem Material.
00:10:37: Dann ergibt sich daraus nicht zwangsläufig,
00:10:39: dass der Fachmann das auch für den bestimmten Zweck
00:10:42: einsetzen würde.
00:10:43: Es fehlt dem Fachmann einfach die Veranlassung,
00:10:46: dieses Material als Material für eine Manschette für den
00:10:49: Kaffeebecher einzusetzen und das eröffnet einen gewissen
00:10:51: Argumentationsspielraum.
00:10:54: Unser Fachmann,
00:10:55: der also die erfinderische Tätigkeit beurteilt,
00:10:58: kann grundsätzlich schon einzelne Dinge,
00:11:00: einzelne Merkmale aus unterschiedlichen Ständen der Technik
00:11:03: miteinander kombinieren.
00:11:05: Es braucht aber immer einen bestimmten Anlass,
00:11:07: diese Kombination vorzunehmen.
00:11:09: Das geht nicht so ohne Weiteres.
00:11:11: Ich bin jetzt im Anmeldeverfahren und hätte gern ein Patent
00:11:14: und das Patentamt hat schon anerkannt,
00:11:16: dass meine Erfindung neu ist.
00:11:18: Was sind jetzt so die gängigen Argumente dafür,
00:11:21: dass meine Erfindung nicht nahe liegt,
00:11:22: dass sie erfinderisch ist?
00:11:25: In der Regel spielt sich die Argumentation im letzten
00:11:27: Schritt des Aufgabelösungsansatzes ab und zwar im
00:11:30: sogenannten Could-Would-Approach.
00:11:32: Das heißt, es geht nicht nur darum,
00:11:33: ob der Fachmann bestimmte Dokumente oder einzelne Teile des
00:11:36: Standes der Technik miteinander kombinieren könnte,
00:11:39: um zur Erfindung zu gelangen,
00:11:40: sondern er muss auch tatsächlich dazu veranlasst sein.
00:11:44: Es geht also darum,
00:11:45: ob er das tatsächlich in der Praxis tun würde oder
00:11:48: getan hätte.
00:11:49: Und das ist ein typischer Streitpunkt,
00:11:51: weil in der Praxis in einem Anmeldeverfahren die Prüfer beim
00:11:54: Patentamt natürlich sobald sie einen Stand der Technik
00:11:56: gefunden haben, der die Summe aller Merkmale zumindest
00:11:59: kumulativ wiedergibt, zumindest die Behauptung aufstellen,
00:12:02: dass der Fachmann das auch kombinieren würde.
00:12:05: Und als Anmelder bzw.
00:12:06: als Vertreter des Anmelders geht es darum zu argumentieren,
00:12:10: warum der Fachmann genau diese Kombination nicht
00:12:12: vornehmen würde.
00:12:14: Der beste Ansatz ist,
00:12:15: dass es irgendeinen technischen Widerspruch gibt.
00:12:18: Das bedeutet also der Fachmann könnte ein bestimmtes
00:12:20: Material nicht als Manschette verwenden,
00:12:23: weil in dem Stand der Technik,
00:12:24: in dem das Material geoffenbart wird,
00:12:27: daraus keine geschlossenen Ringe gefertigt werden dürfen
00:12:29: oder dergleichen.
00:12:31: Da kann es zum Beispiel auch Vorbehalte geben in der Technik
00:12:34: oder sonst irgendwelche Dinge,
00:12:35: die einfach den Fachmann davon abhalten,
00:12:37: das überhaupt zu probieren.
00:12:39: In der Praxis des europäischen Patentamts geht es aber nicht
00:12:42: nur um technische Widersprüche,
00:12:43: sondern es reicht eben auch nicht aus dass kein Hindernis
00:12:46: besteht, es braucht der Fachmann vielmehr eine konkrete
00:12:49: Veranlassung,
00:12:50: um Stand der Technik Dokumente miteinander zu kombinieren.
00:12:54: Und wenn es sich jetzt im weiteren Stand der Technik der
00:12:57: eben zu kombinieren wäre,
00:12:59: mit dem nächsten Stand der Technik kein Hinweis ergibt,
00:13:01: der den Fachmann dazu veranlasst, ihn heranzusehen,
00:13:04: wenn es darum geht, die objektive technische Aufgabe zu
00:13:06: lösen, dann reicht es eben nicht aus und die erfindliche
00:13:10: Tätigkeit ist zu bejahen.
00:13:12: Die wesentlichen Argumente für die erfinderische Tätigkeit
00:13:15: sind also,
00:13:16: dass im Stand der Technik keine Veranlassung besteht,
00:13:19: irgendwelche vorbekannten Gegenstände miteinander zu
00:13:22: kombinieren.
00:13:23: Gut ist es auch wenn man vielleicht argumentieren kann,
00:13:25: dass ein technischer Widerspruch besteht,
00:13:28: diese bekannten Gegenstände aus dem Stand der Technik
00:13:31: miteinander zu kombinieren,
00:13:32: einfach um den Prüfer vor Augen zu führen,
00:13:34: dass eine solche Kombination einfach nicht möglich ist.
00:13:39: Fassen wir das jetzt nochmal alles zusammen.
00:13:42: Die erfinderische Tätigkeit ist eine notwendige
00:13:45: Patentierungsvoraussetzung.
00:13:47: Geregelt ist sie in Artikel 56 sowie durch den
00:13:51: Aufgabe-Lösungs-Ansatz,
00:13:52: der eigentlich nur durch die Rechtsprechung
00:13:54: entwickelt wurde.
00:13:56: Dieser Aufgabe-Lösungs-Ansatz wurde entwickelt,
00:13:58: um eine rückschauende Betrachtungsweise auf die Erfindung zu
00:14:01: verhindern.
00:14:03: Beim Aufgabe-Lösungs-Ansatz bestimmt man zunächst den
00:14:05: nächstkommenden Stand der Technik und schaut sich dann das
00:14:08: Unterscheidungsmerkmal zwischen Erfindung und dem
00:14:10: nächstkommenden Stand der Technik an.
00:14:13: Dieser nächstkommende Stand der Technik muss ein gutes
00:14:16: Sprungbrett sein.
00:14:17: Wesentlichen kommt es darauf an,
00:14:19: dass die grundsätzliche Aufgabenstellung dieses Standes der
00:14:22: Technik unter Erfindung gleich ist,
00:14:23: dass die also ungefähr den gleichen Gegenstand behandeln.
00:14:27: Ausgangspunkt für die Aufgabe ist dann der technische Effekt
00:14:29: des Unterscheidungsmerkmals.
00:14:32: Die Aufgabe ist es grundsätzlich, den Effekt zu bewirken,
00:14:35: man kann die Aufgabe aber auch noch etwas abstrakter
00:14:37: formulieren.
00:14:38: Ein technischer Effekt muss,
00:14:40: wenn er vom Anmelder geltend gemacht wird,
00:14:42: von diesem zur Not auch nachgewiesen werden.
00:14:46: Um jetzt das Naheliegen im Endeffekt festzustellen,
00:14:48: wird das sogenannte Could-Would-Approach verwendet.
00:14:51: Hier wird die Frage gestellt,
00:14:53: ob ein Fachmann überhaupt eine solche Kombination vornehmen
00:14:56: würde, um zum Ziel zu gelangen.
00:14:59: Würde diese Kombination zum Ziel führen und würde der
00:15:01: Fachmann diese Kombination auch wirklich vornehmen,
00:15:04: dann liegt keine erfinderische Tätigkeit vor.
00:15:07: Die Überwindung technischer Widersprüche zeigt aber in der
00:15:10: Regel an, dass eine erfinderische Tätigkeit
00:15:12: vorliegt.
00:15:15: Auch dann wenn es angesichts der objektiven Aufgabe keine
00:15:18: Veranlassung zur Kombination gibt,
00:15:20: liegt eine erfinderische Tätigkeit üblicherweise vor.
00:15:23: Erfinderische Tätigkeit ist aber zu verneinen,
00:15:25: wenn der Fachmann vom nächstkommenden Stand der Technik
00:15:28: ausgehend unter Anwendung des Could-Would-Approaches eben zur
00:15:31: beanspruchten Lösung des Patentanspruchs gelangt.
00:15:35: Das war eine Folge zum Thema erfinderische Tätigkeit.
00:15:38: Vielen Dank, Gerd, und vielen Dank für Ihr Interesse.
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