G 1/24 - Patent Panel - Auslegung von Patentansprüchen (Entscheidung)

Shownotes

In dieser Prototypen Folge des Formats "Patent Panel" diskutieren die Podcaster Michael Stadler, Gerd Hübscher und Lukas Fleischer zu dritt über die gerade ergangene Entscheidung G 1/24 der Großen Beschwerdekammer, die bereits in den Folgen 11 und 12 dieser Staffel besprochen wurde.

Dabei versuchen die Podcaster insbesondere unterschiedliche Aspekte der Entscheidung zu beleuchten, die Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis des Europäischen Patentamts im Prüfungs- und Einspruchsverfahren zu antizipieren und unterschiedliche Blickwinkel in Bezug auf die Auslegungspraxis zu geben.

Zusammenfassung der Entscheidung

Frage 1 der Vorlage zielte darauf ab, ob Art 69 EPÜ oder Art 84 die Rechtsgrundlage für die Auslegung der Patentansprüche bei der Beurteilung der Patentierbarkeit darstellt. Diese Frage wurde von der Großen Beschwerdekammer dahingehend beantwortet, dass aus formaler Sicht keine dieser Bestimmungen die Rechtsgrundlage darstellen kann. Tatsächlich aber ist es die analoge Anwendung dieser Artikel, die basierend auf der Rechtsprechung der Beschwerdekammer die Basis für die Anspruchsauslegung bildet.

Frage 2 der Vorlage wollte wissen, ob die Beschreibung immer für die Auslegung der Ansprüche heranzuziehen ist oder - wie in einer Rechtsprechungslinie der Fall - nur dann, wenn ein Merkmal im Anspruch unklar oder mehrdeutig ist. Die Große Beschwerdekammer sieht es als erforderlich an, dass die Beschreibung und die Zeichnungen bei der Auslegung der Ansprüche immer zu konsultieren ist, wenngleich die Prädominanz der Ansprüche betont wird.

Die Große Beschwerdekammer hält auch fest, dass eine andere Auslegungspraxis durch das EPA im Widerspruch zur Praxis der nachgeschalteten nationalen Gerichte und des Einheitlichen Patentgerichts (UPC) stehen würde und so der angestrebten Harmonisierung des europäischen Patentrechts diametral entgegenstehen würde.

Die dritte Frage, die danach fragte ob bzw. unter welchen Umständen eine breite Definition in der Beschreibung nicht berücksichtigt werden muss, wurde von der Großen Beschwerdekammer nicht zugelassen, da die Beantwortung dieser Frage für die vorlegende Kammer für die Entscheidungsfindung aufgrund der Beantwortung der Frage 2 nicht mehr erforderlich ist.

Leitsatz

The claims are the starting point and the basis for assessing the patentability of an invention under Articles 52 to 57 EPC. The description and drawings shall always be consulted to interpret the claims when assessing the patentability of an invention under Articles 52 to 57 EPC, and not only if the person skilled in the art finds a claim to be unclear or ambiguous when read in isolation.

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Transkript anzeigen

00:00:06: Willkommen zum IP-Courses-Podcast, dem Podcast für gewerblichen Rechtsschutz.

00:00:16: In der heutigen Folge wird es darum gehen, wie das Europäische Patentamt Patentansprüche

00:00:20: auslegt, wenn es um die Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit geht. Da gab

00:00:26: es ja vor kurzem eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G1/24. Da ging es konkret

00:00:33: darum, wie der Begriff "gathered sheet" auszulegen ist. Es wurde ja da behauptet, dass es eine

00:00:39: allgemeine anerkannte Bedeutung gibt und die Beschreibung hat das komplett anders definiert.

00:00:45: Jetzt ist die Entscheidung da und heute habe ich den Gerd Hübscher bei mir, der sich die

00:00:50: Entscheidung im Detail angesehen hat und zu meiner Verstärkung, zum Fragenstellen, habe

00:00:54: wir auch noch den Lukas Fleischer dabei. Hallo Gerd, hallo Lukas. Hallo Michael.

00:00:58: Hallo Michael. Schön, dass ihr da seid. Ich würde jetzt gleich beginnen mit der Frage an den Gerd.

00:01:05: Wie ist es denn ausgegangen? Was war denn das Wichtigste, was du mitgenommen hast von der

00:01:09: Entscheidung? Nachdem ich mich bei der letzten Folge schon aus dem Fenster gelehnt habe, kann ich

00:01:14: heute sagen erwartungsgemäß. So einfach ist es aber natürlich nicht und die Entscheidung ist zwar

00:01:19: relativ kurz, hat aber glaube ich doch eine gewisse Tragweite. Was war eigentlich gefragt?

00:01:25: Es gab zur Erinnerung drei Fragen.

00:01:26: Die erste Frage war schlicht einmal nach der Rechtsgrundlage.

00:01:30: Also nach welcher Rechtsgrundlage sind überhaupt Ansprüche jetzt nicht nach der Erteilung,

00:01:35: sondern vor der Erteilung im Anmeldeverfahren auszulegen?

00:01:39: Die Frage zwei war dann eher inhaltlicher Art, nämlich sind die Beschreibung und die Zeichnung

00:01:45: bei der Auslegung der Ansprüche zur Beurteilung der Patentfähigkeit heranzuziehen?

00:01:49: Und wenn ja, sind sie das immer oder nur dann, wenn die Ansprüche an sich unklar sind oder mehrdeutig.

00:01:56: Was war die dritte Frage?

00:01:58: Die dritte Frage beschäftigt sich dann eigentlich nur mit der Anwendung der zweiten Frage auf den konkreten Vorlagefall,

00:02:04: nämlich was ist denn jetzt, wenn ein Begriff in den Ansprüchen in der Beschreibung anders definiert ist, was geht dann vor?

00:02:12: Okay, na dann schauen wir uns mal die erste Frage im Detail an, wo es um die Rechtsgrundlage geht.

00:02:17: Da gab es ja offenbar zwei unterschiedliche Auffassungen, was jetzt die Rechtsgrundlage für die Auslegung eines Patentanspruchs im Anmeldeverfahren ist.

00:02:27: Und wenn man da so normal drüber nachdenkt, kommt man natürlich Artikel 69 EPÜ als die zentrale Rechtsgrundlage für die Auslegung von europäischen Patenten.

00:02:36: Wie kann man da eigentlich auf eine andere Idee kommen, als von Artikel 69 EPÜ auszugehen?

00:02:42: Ja, es ist tatsächlich etwas merkwürdig.

00:02:45: Wenn man sich den Artikel 69 EPÜ genau durchliest, dann geht es ja da um den Schutzbereich des europäischen Patents und der europäischen Patentanmeldung.

00:02:54: Gemeint ist aber der Schutz, der sich eben gegen Dritte ergibt, auch aus der Anmeldung.

00:03:00: Es geht also nicht um den Schutzbereich im Anmeldeverfahren.

00:03:03: Und insofern ist tatsächlich fraglich, ob der Artikel 69 EPÜ eben eine geeignete Rechtsgrundlage ist,

00:03:10: um jetzt im Prüfungsverfahren den Schutzbereich eines Patents für die Neuheits- und erfinderische Tätigkeitsprüfung heranzuziehen.

00:03:16: Für mich ist klar, dass man Patentansprüche immer auslegen muss,

00:03:21: unabhängig davon, ob man sie jetzt im Verletzungsverfahren auslegt oder bei der Prüfung.

00:03:26: Eine gewisse Auslegung muss man immer machen.

00:03:28: Die Praxis des Europäischen Patentamts gibt es vor,

00:03:31: dass man auch bei der Neuheitsprüfung eine Auslegung durchführen muss,

00:03:36: weil sonst kann ich mir gar nicht anschauen, ob etwas neu ist oder nicht.

00:03:37: Das sollte man meinen.

00:03:39: Ich glaube, genau das ist eben strittig.

00:03:41: Also die Praxis des EPAs ist ja bisweilen die, dass aus der Überlegung des Artikel 84 EPÜ heraus,

00:03:47: und das ist nämlich tatsächlich auch die zweite Rechtsgrundlage, über die wir diskutieren,

00:03:51: dass der Anspruch aus sich heraus deutlich sein muss, knapp und durch die Beschreibung gestützt.

00:03:57: Und die Diskussion aus diesem Artikel 84 EPÜ heraus und auch die Praxis der Prüfer beim EPA

00:04:03: geht dahingehend, dass sie, ist mein Eindruck, den Anspruch lesen

00:04:07: und versuchen, die Erfindung aus dem Anspruch heraus zu verstehen.

00:04:11: Und sie wollen eher die Beschreibung nicht unbedingt konsultieren müssen.

00:04:13: Und das ist aber auch durchaus im Interesse der Allgemeinheit.

00:04:16: Wenn man daran denkt, dass man selbst eine FTO machen muss,

00:04:18: also Freedom-to-Operate Analyse, viele Schutzbereiche schnell prüfen muss,

00:04:22: dann ist es natürlich im Interesse, dass ich nicht das ganze Patent lesen muss,

00:04:27: sondern nur den Anspruch.

00:04:28: Macht für mich durchaus Sinn.

00:04:29: Das wäre der Idealzustand, dass der Anspruch aus sich heraus klar ist.

00:04:32: Aber ihr habt es in der letzten Diskussion schon gesagt:

00:04:36: Den absolut klaren Anspruch, den gibt es eigentlich nicht und da wird etwas unklar im Licht des Stands der Technik.

00:04:43: Die Schwierigkeit liegt einfach im Rechtskonzept her, kann ich durchaus glauben, dass ein Anspruch oder ein Satz aus sich heraus klar ist.

00:04:50: Aber wir haben sowohl in der Vertragsauslegung, aber natürlich auch bei solchen technischen Sachverhalten wie in Patenten das Problem,

00:04:56: dass Sprache das nie hergibt, dass sie aus sich heraus klar ist.

00:05:00: Und ich habe immer einen Interpretationsaufwand und diese Rechtsprechungslinie,

00:05:05: die da auch jetzt im Rahmen der G 1/24 diskutiert und aber auch beendet worden ist,

00:05:10: ist davon ausgegangen, von der Fiktion, wenn man so will, dass der Anspruch aus sich heraus klar sein soll.

00:05:15: Das ist der Anspruch, den die Prüfer beim Patentamt haben.

00:05:18: Die Frage ist, ob sie diesem Anspruch jemals tatsächlich gerecht werden können.

00:05:22: Aber genau das ist eben dieser Widerspruch zwischen der Deutlichkeit und Knappheit.

00:05:27: Also ich kann nie beides erfüllen.

00:05:29: Jetzt haben wir natürlich das Problem, dass so sehr sich die Prüfer auch bemühen, dass das insgesamt klar wird, dass es die Fälle geben wird, wo das einfach nicht klar ist.

00:05:38: Die Frage ist jetzt, was machen wir dann und welche Rechtsgrundlage schafft uns jetzt die Möglichkeit zu sagen, okay, wir interpretieren das jetzt auf die eine oder auf die andere Weise.

00:05:47: Dazu hat die Große Beschwerdekammer was gesagt, oder?

00:05:50: Genau.

00:05:51: Diese Frage wollte die Große Beschwerdekammer für uns ja beantworten.

00:05:54: Sie wollte sie beantworten. Sie hat sie auch in irgendeiner Weise beantwortet.

00:05:58: Sie hat jedenfalls festgestellt: Artikel 69 EPÜ ist es nicht die Rechtsgrundlage,

00:06:03: aber auch Artikel 84 EPÜ ist es nicht.

00:06:06: Das ist aber kein Problem, weil die bisherigen G-Entscheidungen,

00:06:09: die das so nebenbei angesprochen haben, das eben nicht im Kern beleuchtet haben,

00:06:13: sondern eigentlich in Form von einem obiter dictum, das nur so nebenbei gesagt haben.

00:06:17: Also so gesehen ist das jetzt keine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung.

00:06:21: Viel wichtiger erscheint der Großen Beschwerdekammer,

00:06:23: aber dass, obwohl das nicht anwendbar ist, jetzt dennoch,

00:06:27: und das ist durchaus sehr sinnvoll in meinen Augen,

00:06:30: man nicht komplett neu sich etwas überlegen muss für das Anmeldeverfahren,

00:06:34: sondern man kann durchaus die gleichen Prinzipien heranziehen.

00:06:37: In der Entscheidung stützt sich doch die Große Beschwerdekammer auf eine UPC-Entscheidung

00:06:42: als Rechtsgrundlage für die Auslegung.

00:06:46: Nein, darauf stützt sie sich nicht.

00:06:49: Das sagt sie nur nachträglich, dass sie von der auch nicht abweicht.

00:06:52: Was sie eigentlich sagt, ist, dass es zu vermeiden ist,

00:06:56: dass es zu einer Ungleichauslegung kommt im Sinne der Harmonisierung zwischen den Verletzungsgerichten,

00:07:02: den nationalen Gerichten, beziehungsweise auch des UPCs und des EPAs.

00:07:05: Das ist eigentlich die Hauptmotivation.

00:07:07: Das heißt, im Endeffekt kann man schon sagen, es ist das allgemeine Ziel jetzt auch der Großen Beschwerdekammer,

00:07:13: dass ein Patentanspruch, so wie er da geschrieben ist, in allen Situationen immer das Gleiche bedeutet.

00:07:20: Das sagt sie so explizit nicht, aber das stimmt wohl ja.

00:07:23: Also es geht ja vor allem um die Gleichbehandlung im Erteilungsverfahren und im Verletzungsfall,

00:07:28: wohl auch vor dem Lichte der Nichtigkeitsverfahren, vor dem UPC dann,

00:07:30: die nicht im gleichen Verfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen sollen.

00:07:34: Bis jetzt war es ja eigentlich der Großen Beschwerdekammer, zumindest meines Erachtens,

00:07:39: eher egal, dass die nationalen Gerichte irgendwie sehr unterschiedliche Prinzipien angewendet haben,

00:07:45: um Patentansprüche auszulegen und inwiefern sie dann Einschränkungen in der Beschreibung

00:07:50: als einschränkend für die Auslegung des Patentanspruchs gesehen haben.

00:07:54: In dieser Nanostring-Entscheidung hat der UPC sehr klar gesagt,

00:07:58: dass die Auslegung bei der Beurteilung der Rechtsbeständigkeit und bei der Beurteilung der Verletzung die gleiche sein soll.

00:08:05: Das ist ein Konzept, das so in dieser Breite nicht bis jetzt einheitlich war, oder?

00:08:11: Nein, ganz und gar nicht.

00:08:12: Und es gibt durchaus auch, gerade im anglo-amerikanischen Raum in Großbritannien, ist das überhaupt nicht zwingend.

00:08:18: Ich glaube, dass das auch ein Wandel ist, den da gerade das europäische Patentrecht vollzieht.

00:08:23: weil wir bislang einfach das Problem nicht hatten.

00:08:26: Und daher konnte sich die Große Beschwerdekammer und damit auch das EPA leisten,

00:08:29: da einfach keine Bedeutung drauf zu legen,

00:08:32: weil ja das EPA ohnehin nur für die Erteilung der Patente zuständig war,

00:08:35: vielleicht noch im Einspruchsverfahren, aber mit der Verletzung eigentlich nichts zu tun hatte.

00:08:39: Die Problematik überhaupt der Ungleichbehandlung kommt ja jetzt erst über das UPC,

00:08:45: dass ich wirklich auf europäischer Ebene jetzt eine Institution habe,

00:08:48: die dem EPA mehr oder weniger als Gegengewicht gegenüber hält

00:08:51: und die auch unmittelbar europäische Patente in ihrer zumindest Teilgesamtheit wieder vernichten kann.

00:08:57: Und da ist es natürlich schon, oder hat es eine andere Qualität,

00:09:00: wenn ich da zwei unterschiedliche Herangehensweisen habe.

00:09:03: Weil dann habe ich einerseits vielleicht im Einspruchsverfahren ein aufrechtes Patent,

00:09:07: das ich sofort nicht erkläre oder umgekehrt.

00:09:09: Und aus meiner Sicht das schlimmste Problem, das dabei herauskommt, ist,

00:09:13: dass ich einen Stand der Technik habe, der vielleicht nicht neuheitsschädlich ist,

00:09:16: aber dann plötzlich eingreift in das Patent.

00:09:18: Und das, finde ich, sollte wirklich nicht sein.

00:09:21: Okay, können wir vielleicht die Beantwortung der Frage 1 für uns nochmal zusammenfassen?

00:09:25: Wir wissen jetzt, es ist nicht Artikel 69 EPÜ, es ist nicht Artikel 84 EPÜ.

00:09:30: Wie funktioniert es denn jetzt? Was ist denn jetzt unsere Rechtsgrundlage?

00:09:34: Es gibt keine. Es ist die Analogie aus Artikel 69 EPÜ.

00:09:37: Also es ist die analoge Anwendung von Artikel 69 EPÜ fürs Anmeldeverfahren.

00:09:41: Das heißt, die Rechtsgrundlage in Zukunft ist die G 1/24?

00:09:44: Genau.

00:09:44: Also mit dieser richterlichen Rechtsfortbildung wird es natürlich auch funktionieren.

00:09:49: Das ist ja bereits mehrfach in der Vergangenheit erfolgt, dass die Große Beschwerdekammer eben Recht gesetzt hat oder selbst geschaffen hat.

00:09:56: Und dann wird es das in Zukunft sein.

00:09:58: Gut, gehen wir weiter zur zweiten Frage.

00:10:01: Da ging es ja darum, unter welchen Voraussetzungen man die Beschreibung und die Figuren heranziehen darf.

00:10:07: Entweder nur, wenn es allgemein Probleme mit der Auslegung gibt oder immer.

00:10:11: Wie ist denn die Kammer da vorgegangen?

00:10:13: Die Kammer hat sich einmal alle Rechtsprechungsströmungen angeschaut und hat einmal die gemeinsame Kernbasis herausgearbeitet, wenn man so will.

00:10:22: Und zwar was unstrittig ist, ist, dass die Ansprüche mal der Ausgangspunkt oder eben auf Englisch der "starting point" sind, um die Patentierbarkeit zu prüfen.

00:10:32: Das war unstrittig.

00:10:34: Fraglich war dann eigentlich der Punkt, ob eben die Beschreibung und die Zeichnungen immer herangezogen werden müssen oder nur bei Unklarheiten.

00:10:44: Genau das war nämlich das Problem auch im Vorlagefall, dass ja zumindest vermeintlich die Ansprüche aus sich heraus klar waren,

00:10:51: in der Beschreibung aber was anderes drin gestanden ist oder die Beschreibung diesen an sich klaren Begriff weiter gemacht hat,

00:10:57: als er aus sich heraus gewesen wäre.

00:11:00: Ja, die Große Beschwerdekammer ist auf das aber einigermaßen apodiktisch eingegangen

00:11:05: und hat gesagt, die Beschreibung ist immer heranzuziehen.

00:11:08: Und die andere Rechtsprechungslinie ist einfach zurückzuweisen.

00:11:13: Das heißt, wenn ich mir das so vorstelle, wir müssen jetzt das Patent in seiner Gesamtheit auslegen

00:11:19: und selbst wenn uns völlig klar ist, was in dem Patentanspruch drinnen steht,

00:11:23: ist es immer noch notwendig, die Beschreibung mitzukonsultieren, um dann sagen zu können,

00:11:28: der Schutzbereich des Patents ist so oder so.

00:11:31: Das macht ja eigentlich so eine Freedom-to-Operate-Analyse

00:11:35: ziemlich aufwendig und umfangreich,

00:11:37: weil ich mich einfach nicht mehr auf den einzelnen Patentanspruch verlassen kann.

00:11:41: Das stimmt. Die Frage ist, ob ich mich bislang da jemals drauf habe verlassen können,

00:11:47: was ich durchaus anzweifle.

00:11:49: Eben deswegen, weil die Verletzungssituation ja ohnehin nie das EPA geprüft hat,

00:11:54: sondern eigentlich immer die nationalen Gerichte.

00:11:56: Das heißt also, wenn ich bislang davon ausgegangen bin,

00:11:58: dass weil das EPA im Anmeldeverfahren ja, beziehungsweise im Einspruchsverfahren diese Prinzipien anwendet,

00:12:04: wie sie es anwendet, hätte ich ja noch immer nicht die Sicherheit gehabt,

00:12:07: dass das dann im Verletzungsfall, um den es ja bei der FTO eigentlich geht, auch gleich beurteilt worden wäre.

00:12:11: Das heißt, ich habe jetzt eigentlich den Vorteil in der G 1/24,

00:12:15: dass ich diesen gleichen Maßstab, den ich ohnehin im Verletzungsfall habe,

00:12:18: auch schon zwingend im Anmeldeverfahren habe und damit eigentlich die Grundlage schafft,

00:12:23: dass das EPA im Rahmen der Anmeldeprüfung einfach eine konsistente Herangehensweise schafft.

00:12:29: Was auf der anderen Seite die Große Beschwerdekammer schon auch betont ist,

00:12:34: dass aufgrund dessen eben in Bezug auf die Erfordernisse des Artikel 84 EPÜ,

00:12:38: also Deutlichkeit, Stützung durch die Beschreibung und damit natürlich auch Knappheit,

00:12:43: also das, was man so landläufig als Klarheit bezeichnet,

00:12:46: dass da ein großer Fokus auf der Qualität der Prüfung liegen muss,

00:12:52: weil, und das ist meine Interpretation, weil ja genau das jetzt dieser Aspekt ist,

00:12:57: dass der Anspruch rasch für die Öffentlichkeit konsumierbar sein soll.

00:13:01: Vielleicht habe ich dann ein bisschen einen anderen Blickwinkel drauf.

00:13:05: Für mich gibt es die Entscheidung nicht so deutlich her, wie du das siehst.

00:13:10: Ich sehe ein bisschen ein Problem damit, dass die Große Beschwerdekammer uns zwar vor den Kopf wirft,

00:13:17: dass die Beschreibung und die Zeichnungen immer konsultiert werden sollen,

00:13:21: aber sie sagt uns nicht, wie wir konsultieren sollen.

00:13:24: Und was ist der Unterschied zwischen konsultieren,

00:13:27: also im Entscheidungstext heißt es "to be consulted, to interpret the claims",

00:13:32: und davor war die Rede von "shall always be referred to".

00:13:35: Also sie verwendet jetzt wieder ein neues Wort von konsultieren und heranziehen.

00:13:40: Für mich ist jetzt nicht ganz klar, in welchem Umfang.

00:13:43: Also was nicht geht, ist, dass man die Beschreibung überhaupt nicht berücksichtigt.

00:13:48: Aber in welchem Umfang jetzt die Beschreibung berücksichtigt werden soll,

00:13:52: Da, finde ich, hat die Große Beschwerdekammer uns keine klare Leitlinie dazugegeben, oder?

00:13:57: Für mich klingt das irgendwie so, als müsste sich da unsere Fachperson,

00:14:01: unsere Fiktive, einfach mal irgendwie einstimmen durch Lesen des Beschreibungstexts

00:14:06: und dann so ein schlüssiges Bild für sich schaffen und dann funktioniert das schon irgendwie.

00:14:12: Also ich glaube, dass es da viele Missverständnisse gibt,

00:14:14: einfach aus dem Wording des Auslegungsprotokolls zum Artikel 69 EPÜ.

00:14:18: Da heißt es ja, dass sich der Schutzbereich nicht allein aus den Ansprüchen ergibt und nicht allein aus der Beschreibung.

00:14:24: Und irgendwie diese Doppelschranke, wenn man so will, impliziert für manche,

00:14:29: dass das die zwei Extreme sind, die nicht sein sollen und dass das aber eigentlich so ein Widerspruch ist auf irgendeine Weise.

00:14:38: Ich glaube, eine gewisse Lösung gibt es, wenn man ein bisschen in die deutsche Rechtsprechung schaut dazu,

00:14:42: wo das Maß der Dinge eigentlich das ist einer konsistenten Auslegung.

00:14:46: Also wie würde die Fachperson jetzt die Beschreibung und die Ansprüche lesen

00:14:51: und, wichtig, widerspruchsfrei auslegen.

00:14:54: Und ich glaube, diese Widerspruchsfreiheit mit einer,

00:14:57: und das ist ja auch in der G 1/24 durchaus erwähnt,

00:14:59: also mit einer Prädominanz der Ansprüche, die Ansprüche sind der Ausgangspunkt.

00:15:02: Und wenn ich jetzt versuche, die Ansprüche widerspruchsfrei mit der Beschreibung auszulegen,

00:15:06: dann komme ich zu einem Ergebnis, wie die Fachperson die Ansprüche im Lichte der Gesamtoffenbarung verstehen würde,

00:15:14: verstehen muss.

00:15:16: und das finde ich jetzt nicht schwierig zu greifen.

00:15:19: Das heißt, es könnte passieren, dass ich die Patentansprüche lese

00:15:23: und dann zum Beispiel zum Ergebnis komme, so wie es ist, ist es neu,

00:15:28: weil die Merkmale eine bestimmte Bedeutung haben

00:15:30: und dann konsultiere ich die Beschreibung und komme darauf,

00:15:33: naja, eigentlich bedeutet das Merkmal ganz was anderes, also ist es doch nicht neu.

00:15:38: Für mich ist die Frage, wir haben ja jetzt im Vorlagefall das Problem,

00:15:42: dass die Beschreibung breiter ist als die Ansprüche.

00:15:46: Das heißt, hier wäre es eine Schutzausdehnung sozusagen, dass man hier ein Merkmal drin hat,

00:15:50: das vielleicht breiter auszulegen ist, als man es aus der Anspruchsinterpretation alleine herauslesen würde.

00:15:54: Es gibt aber auch die umgekehrten Fallen.

00:15:56: Ich finde das absurd, wirklich. Entschuldigung.

00:16:03: Was bedeutet denn die Anspruchsauslegung alleine?

00:16:06: Ich kann ja einen Anspruch nicht lesen und unmittelbar verstehen.

00:16:10: Ich brauche Hintergrundwissen.

00:16:13: Wenn da ein technischer Begriff steht, impliziere ich ja schon oder wende schon das Wissen der Fachperson an,

00:16:19: um dem eine Bedeutung beizumessen. Anders geht es ja gar nicht.

00:16:23: Jetzt ist es aber sehr abstrakt tatsächlich.

00:16:25: Dieses Wissen, das die Fachperson hat oder nicht hat, ist etwas sehr, sehr Vages.

00:16:30: Und wir glauben vermeintlich, dass das das Maß aller Dinge ist.

00:16:34: Und übersehen dabei, dass das, was ja da liegt, nämlich die Beschreibung,

00:16:38: dass das ja schon da ist und auch von der Idee, und ich glaube, Michael,

00:16:41: das ist so dein Steckenpferd ein bisschen. Also wenn ich von der Idee ausgehe, dass der Techniker an sich die Beschreibung schreiben soll oder schreiben können soll

00:16:50: und dann vielleicht noch die Ansprüche dazu formuliert werden, dann macht es doch durchaus Sinn, dass diese Ansprüche die Bedeutung bekommen,

00:16:57: die eben in der Beschreibung ihnen gegeben wird, weil was anderes gibt es ja gar nicht.

00:17:02: Naja, eine Situation gibt es schon, die man anders machen könnte, nämlich man sagt einfach, ich schreibe eine extrem rudimentäre Beschreibung,

00:17:09: gebe dort nur ein Ausführungsbeispiel rein,

00:17:12: das in Wahrheit auch nichts anderes tut, als die Anspruchsmerkmale zu replizieren

00:17:15: und dann stehe ich genau vor der Situation.

00:17:17: Ich habe etwas extrem Rudimentäres, das praktisch ausschließlich der Patentanspruch ist

00:17:22: und dann habe ich praktisch das, dass es nur den Patentanspruch gibt

00:17:26: und den muss ich ja argumentativ oder durch Auslegung auch irgendwie darunter bringen,

00:17:31: dass ich jetzt sagen kann, okay, das fällt drunter, es ist Stand der Technik oder eben nicht.

00:17:34: Also das kann schon sein, dass ich nur den Anspruch habe.

00:17:38: Das stimmt schon, aber dann habe ich halt auch nichts anderes.

00:17:41: Also kommt ja auch häufig genug vor.

00:17:43: Also viele Anmeldungen machen das ja.

00:17:45: Und man muss auch sagen, die Praxis bisher vom EPA hat ja fast dazu geführt,

00:17:48: dass man sich überlegen musste, warum schreibe ich denn überhaupt noch eine Beschreibung?

00:17:52: Und warum schreibe ich nicht einfach alles in die Ansprüche und schreibe halt 40 Ansprüche?

00:17:56: Ja, weil es Gebühren kostet, deswegen nicht.

00:17:58: Aber im Kern ist ja die Frage, gehe ich immer davon aus,

00:18:01: so von diesem, ich sage jetzt nicht unbedingt Einzel-, aber Extremfall oder von dem üblichen Fall?

00:18:08: Und warum gibt es die Beschreibung und die Zeichnungen?

00:18:11: Eben, da sind wir wieder beim Artikel 69 EPÜ beziehungsweise beim Auslegungsprotokoll,

00:18:15: die sind ja dazu da, damit ich die Bedeutung der Ansprüche besser verstehen kann.

00:18:21: Und wenn die Beschreibung jetzt diesen Begriffen, die dort verwendet werden, eine Bedeutung gibt,

00:18:26: dann soll ich die auch nicht negieren können, weil das ja offensichtlich in dieser Gesamtoffenbarung das ist, was gemeint ist.

00:18:32: Aber da möchte ich wieder hineingrätschen, weil das führt doch zu einem Problem.

00:18:37: Ich meine, wir versuchen, wenn wir Patentansprüche formulieren, immer zu abstrahieren

00:18:41: und immer einen möglichst breiten Begriff zu wählen.

00:18:45: Und jetzt könnte ich ja im Extremfall hergehen und sagen,

00:18:49: ich nehme einen sehr engen Begriff und sage in der Beschreibung,

00:18:52: ja, aber der enge Begriff meint eigentlich was viel, viel Breiteres.

00:18:56: Und was ich vorher eigentlich worauf ich hinaus wollte, war die Frage,

00:18:59: da haben wir eben diesen Fall einer Verbreiterung.

00:19:01: Aber habe ich nicht einen ähnlichen Fall, auch wenn es in der Beschreibung enger wird?

00:19:05: Wenn ich in der Beschreibung sozusagen eine zusätzliche Einschränkung habe, die nicht im Anspruch ist,

00:19:10: und die dann vielleicht die Rechtsbeständigkeit herstellt, weil in der Beschreibung steht,

00:19:13: ich soll dieses breite abstrahierte Merkmal so auslegen, dass es eigentlich viel enger ist

00:19:18: und habe dann einen breiten Anspruch mit einer Einschränkung, die ich nur in der Beschreibung habe.

00:19:23: Das ist doch auch irgendwie problematisch und macht es schwierig, das zu erfassen und gemeinsam auszulegen.

00:19:29: Das ist richtig und das ist auch der Grund, warum die G 1/24 betont,

00:19:32: dass es wichtig ist, bei der Qualität der Prüfung auf Artikel 84 EPÜ und auf die Deutlichkeit Wert zu legen.

00:19:38: Das ist aber die Aufgabe des Prüfers, genau dieses Problem sicherzustellen,

00:19:42: dass es eben nicht passiert, dass ich aus dem Anspruch heraus dann einen Begriff überbordend abstrahiere oder verbreite in der Beschreibung.

00:19:49: Das ist Aufgabe des Prüfers.

00:19:51: Wenn der Prüfer aber versagt dabei, dann ist trotzdem der Schutzbereich der, der sich aus der Gesamtoffenbarung ergibt.

00:19:57: Grundsätzlich gebe ich dir total recht.

00:19:59: Also der Idealfall wäre, dass der Prüfer genug Zeit hat, diese Beschreibung zu lesen,

00:20:03: die Erfindung zu verstehen und die Ansprüche zu recherchieren.

00:20:06: Jetzt ist zumindest mein Eindruck, dass das Europäische Patentamt sehr auf Produktivität ausgelegt ist

00:20:12: und manchmal hat man das Gefühl, es fehlt die Zeit, dass sich die Prüfer das genau anschauen.

00:20:18: Wenn jetzt die G 1/24 fordert, man muss sich die Beschreibung anschauen

00:20:21: und man kann nicht nur über die Ansprüche darüber recherchieren,

00:20:23: heißt das nicht eigentlich auch, dass das EPA seine Ressourcen anders verteilen muss

00:20:27: und vielleicht mehr zu dieser Qualitätskomponente zurückkommt, die man eigentlich früher gewohnt war?

00:20:33: Ich glaube, dass es da unterschiedliche Zugänge gibt von den Prüfungen.

00:20:36: Und natürlich gibt es die Tendenz, dass ich es mir leicht mache und die Ansprüche halt einfach breit auslege.

00:20:41: Also das was wir auch aus der Praxis kennen, dass Prüfer das halt manchmal so machen,

00:20:45: dass sie sagen, ja, der Begriff ist unklar, deswegen muss ich ihn nicht berücksichtigen

00:20:48: und deswegen ist das durch den Stand der Technik nahegelegt oder eben nicht neu.

00:20:54: Aber genau das ist ja eigentlich das, was nicht passieren soll.

00:20:56: Und ich glaube, das macht die G 1/24 ziemlich klar.

00:20:59: Genau dieser Ausweg des Prüfers wird nämlich dadurch für mich geschlossen.

00:21:02: Der Prüfer kann nämlich nicht mehr sagen, es ist nicht klar und deswegen ist es nicht einschränkend,

00:21:06: sondern er muss sehr wohl das auslegen und kann dann die Klarheit fordern.

00:21:10: Also er kann es dann nicht mehr zurückweisen, man kann das Neuheit,

00:21:13: sondern er muss sich damit auseinandersetzen, kann dann sagen, ja okay, es wäre schon neu,

00:21:16: aber es ist eben nicht klar bzw. halt in dem Sinn nicht deutlich.

00:21:21: Und das ist auch so ein Punkt, also diese ganze Diskussion auch über aufgabenhafte Beschreibungen und so weiter.

00:21:25: Ich glaube, wir vergessen dabei ein bisschen, dass die Aufgabe des Anspruchs hier im Wesentlichen die sein muss, festzustellen oder feststellen zu können, ob ein Gegenstand in den Schutzbereich fällt oder nicht.

00:21:35: Die Frage ist eigentlich ausschließlich, ob der Anspruch dem genügt.

00:21:39: Und auch zum Beispiel eine aufgabenhafte Formulierung kann durchaus geeignet sein, eine klare Schutzgrenze zu definieren.

00:21:45: Sie macht halt ein Problem in der Offenbarung.

00:21:48: Und das ist das, was halt die Prüfer derzeit massiv über einen Kamm scheren.

00:21:51: Und ich würde mir wirklich wünschen, dass die G 1/24 da zu einer stärkeren Differenziertheit führt oder Differenzierung führt,

00:21:57: dass man wirklich sich klarer macht, was ist jetzt eigentlich der Beanstandungsgrund?

00:22:01: Ist das Neuheit, ist es erfinderische Tätigkeit? Ist es mangelnde Ausführbarkeit?

00:22:04: Weil mangelnde Stützung durch die Beschreibung, mangelnde Offenbarung oder ist es eben mangelnde Deutlichkeit?

00:22:09: Da gebe ich dir völlig recht.

00:22:11: Was ich vielleicht noch einwerfen möchte, ist: aus der G 3/14 haben wir gelernt,

00:22:16: dass die Klarheit kein Einspruchsgrund ist

00:22:20: und dass ich Ansprüche beliebig zusammenziehen kann

00:22:23: und dass die Klarheit nicht geprüft werden darf.

00:22:26: Und dort war die Begründung die, dass man gesagt hat,

00:22:29: unklare Merkmale können dazu führen,

00:22:31: dass der Anmelder sich das dann in der Neuheitsprüfung gefallen lassen muss,

00:22:34: dass es so unklar ist, dass man es breit auslegen muss.

00:22:37: Steht das jetzt nicht ein bisschen im Widerspruch dazu,

00:22:39: dass du sagst, es wäre jetzt eigentlich angezeigt,

00:22:42: dass der Anspruch klar sein muss nach der Prüfung

00:22:44: und ich habe dann keine Möglichkeit mehr im Einspruchsverfahren dieses Problem zu tacklen und das aufzugreifen,

00:22:50: weil die Klarheit darf ich nicht mehr vorbringen.

00:22:52: Und jetzt muss ich mich dann auf die Auslegung in der Beschreibung zurückziehen als Angriffslinie,

00:22:58: wenn ich als Einsprechender gegen ein Patent vorgehen will, wo ich sage, okay, die Ansprüche sind unklar.

00:23:03: Ja, das führt aber aus meiner Sicht nicht wirklich zu einem Problem.

00:23:07: Also bis jetzt hatte ich ja das Problem, dass ich eine potenzielle Ungleichbehandlung hatte im Einspruchsverfahren und im Verletzungsfall.

00:23:13: Ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass diese breite Auslegung, die ich da jetzt habe im Einspruchsverfahren und die zu irgendwelchen Effekten führt, dass die gleich beurteilt wird im Verletzungsverfahren.

00:23:22: Das stellt die G 1/24 jetzt klar und wir haben halt auch den Aspekt, dass die Klarheit oder eben Deutlichkeit und so weiter kein Einspruchsgrund ist.

00:23:32: Wenn ich jetzt immer als Kriterium heranziehe, die Auslegung im vollen Umfang des Artikel 69 EPÜ, also immer unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnung, dann wird in Wahrheit dieses Klarheitsproblem zurückgedrängt aus meiner Sicht zu einem formalen Problem, das halt im Erteilungsverfahren berücksichtigt werden soll oder nicht.

00:23:52: und wenn es aber nicht ausreichend berücksichtigt worden ist,

00:23:56: dann ist es halt ein Problem, das das Amt verursacht hat.

00:23:58: Es ist aber auch wurscht.

00:24:00: Es ist wurscht im Einspruchsverfahren und es ist auch wurscht im Verletzungsverfahren.

00:24:03: Und nachdem es dann immer wurscht ist und nicht anders berücksichtigt wird,

00:24:06: spielt es auch keine Rolle mehr.

00:24:08: Ich meine, mein Eindruck ist ja, dass in der europäischen Praxis ist es ja eigentlich eh so,

00:24:13: dass man eben versucht, diese Konsistenz zwischen Beschreibung und Ansprüchen

00:24:17: beim Schreiben der Anmeldung schon zu berücksichtigen

00:24:20: und eben Begriffe konsistent durchgehend zu verwenden

00:24:23: und dass bei uns, sage ich einmal,

00:24:26: dieses Problem gar nicht so häufig auftreten sollte.

00:24:29: Problematisch wird es halt,

00:24:30: wenn aus anderen Jurisdiktionen Patentanmeldungen kommen,

00:24:33: wie es zum Beispiel bei US-Anmeldungen typisch ist,

00:24:36: dass die dann Definitionen machen,

00:24:37: wo es dir die Schuhe auszieht,

00:24:39: wo du dann denkst,

00:24:41: A da gibt es diese Begriffskonsistenz nicht mehr

00:24:44: und B, versuchen die dann Definitionen zu treffen,

00:24:46: die dann einfach so breit sind,

00:24:48: man es eigentlich nicht mehr

00:24:50: gut interpretieren kann.

00:24:52: Wenn jetzt die Konsequenz ist, okay, dann muss ich

00:24:54: diese breite Definition mir gefallen lassen

00:24:56: und dann ist es halt, auch wenn

00:24:57: es im Anspruch enger wirkt,

00:25:00: ist es dann neuheitlich getroffen, dann wäre es auch

00:25:02: ein guter Outcome. Ja, aber so würde ich

00:25:04: es auch interpretieren. In der Situation

00:25:06: ist mir noch aufgefallen, dem Anmelder

00:25:08: ist es eigentlich auf die Füße gefallen,

00:25:10: dass er in die Beschreibung so eine

00:25:12: breite Definition reingeschrieben hat.

00:25:14: Hätte er das weggelassen

00:25:17: oder einfach überhaupt keine Beschreibung dazu geschrieben oder nur eine sehr rudimentäre,

00:25:20: dann wäre die ganze Situation wahrscheinlich für den Anmelder total einfach ausgegangen.

00:25:24: Es hätte einen Bedeutungswiderspruch nicht gegeben und es wäre dann zu engeren Auslegungen gekommen.

00:25:29: Wir wissen ja auch noch nicht, wie die Sache ausgeht, muss man fairerweise sagen.

00:25:33: Das würde uns ja zur dritten Frage dann eigentlich bringen, wo die konkrete Frage gestellt worden ist.

00:25:38: Wie ist denn das jetzt auszulegen mit dem "gathered sheet"?

00:25:41: Naja, dazu sagt die Große Beschwerdekammer nichts, weil nämlich die Frage 3 als unzulässig erachtet wird,

00:25:48: weil sie nämlich nicht notwendig ist für die vorliegende Kammer, um eine Entscheidung zu treffen.

00:25:53: Das heißt, die Beschwerdekammer kann jetzt ihr Ermessen walten lassen und sagen, wie weit sie das interpretieren soll?

00:26:02: Ich glaube, das ist keine Ermessensfrage.

00:26:04: Sie sagt auch, dass die Frage 3 in der Frage 2 schon enthalten sei, die Große Beschwerdekammer.

00:26:09: Das heißt also, wenn ich das jetzt darauf anwende, dann bedeutet das so viel wie,

00:26:12: ich muss immer die Beschreibung heranziehen und ich muss immer die Zeichnung heranziehen.

00:26:15: Das heißt, ich muss auch in diesem Fall die Beschreibung heranziehen

00:26:17: und ich muss dementsprechend den Begriff auch breiter auslegen entsprechend der Beschreibung.

00:26:21: Vor allem deswegen, weil sich daraus kein Widerspruch ergibt.

00:26:25: Also es spricht nichts dagegen aus meiner Sicht, gerade in dem Fall,

00:26:28: diesen Begriff aus den Ansprüchen breiter auszulegen entsprechend der Definition in der Beschreibung.

00:26:34: Wenn sich daraus wirklich ein Widerspruch ergeben würde,

00:26:37: dann kann man das von mir aus wieder anders beurteilen.

00:26:39: Man kann sagen, dann schlagt aber das Vorgehen der Ansprüche durch.

00:26:43: Das heißt, du meinst, wenn dieser Begriff, wie er im Anspruch verwendet worden wäre,

00:26:47: nicht mehr unter diese breite Definition fallen würde, sondern quasi was anderes definieren würde?

00:26:54: Ja, das meine ich auch nicht, sondern eben diese widerspruchsfreie Auslegung meine ich.

00:26:59: Also ich glaube durchaus, dass die G 1/24 durchaus stützt,

00:27:02: dass ich Begriffe entgegen ihres üblichen Sprachgebrauchs verwende und auslege.

00:27:07: Ich glaube, das gibt die G 1/24 her.

00:27:10: Die Frage ist, ob ich sonst irgendwie einen Widerspruch konstruiere,

00:27:14: indem ich eben nicht einen Begriff umdefiniere,

00:27:16: sondern indem in der Beschreibung was Anderes steht einfach

00:27:19: oder was Widersprüchliches als die Merkmale, die da gefordert sind.

00:27:23: Dann kann ich den Anspruch in seiner Gesamtheit nicht so auslegen,

00:27:26: als dass er diesen Widerspruch auch erfüllt.

00:27:28: Führt das dann in Wahrheit dorthin, wo die Amerikaner sind

00:27:32: mit ihrer "means plus function"-Einschränkung, wo sie sagen,

00:27:35: ja, in der Beschreibung ist genau das, das und das erwähnt.

00:27:38: Und deswegen lege ich den abstrahierten breiten Begriff jetzt nur genauso aus,

00:27:42: wie das, was in der Beschreibung steht.

00:27:43: Das kann es ja auch nicht sein, oder?

00:27:45: Ja, das ist eben diese Differenzierung, die ich mir wünschen würde,

00:27:48: zwischen Stützung durch die Beschreibung und Breite.

00:27:52: Ich finde, das in der USA greift zu kurz,

00:27:54: weil dort halt auch diese ganze Diktion mit dem "best mode" und so weiter

00:27:57: eine ganz andere Rolle spielt.

00:27:58: Bei uns geht es ja gar nicht so sehr darum, dass ich jetzt das Allertollste mache,

00:28:01: sondern ich brauche schon auch einen vernünftigen Schutzbereich.

00:28:04: Ich glaube, das ist unstrittig.

00:28:06: Und die Frage ist, je breiter ich werde im Anspruch,

00:28:10: und auch wenn ich den Anspruch künstlich aufweite durch Umdefinitionen in der Beschreibung,

00:28:14: schützt mich das nicht davor, dass ich halt diesen Anspruch gerade nach Artikel 84 EPÜ

00:28:19: auch in dieser Breite stützen muss durch die Beschreibung.

00:28:21: Und die Frage ist, ob mir das gelingt oder nicht.

00:28:23: Und das haben wir in manchen Gebieten stärker, also im pharmazeutischen Bereich,

00:28:27: im chemischen Bereich, wo ich alles behaupten kann und ich das nicht so ohne weiteres nachvollziehen kann.

00:28:32: Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass jetzt auch vor dem Hintergrund

00:28:34: man da in anderen technischen Gebieten, wo es bis jetzt eher unterbeleuchtet war,

00:28:38: vielleicht stärker darauf Wert legt, ob das auch wirklich in der gesamten Breite gestützt ist.

00:28:42: Ich glaube, das war ein schöner Schlusssatz.

00:28:45: Lieber Gerd, lieber Lukas, schön, dass ihr heute da wart.

00:28:49: Danke, Michael.

00:28:50: Bis zum nächsten Mal.

00:28:51: Vielen Dank.

00:28:56: Das war ein IP-Courses-Podcast.

00:28:59: Für Feedback schreiben Sie uns an podcast@ipcourses.org, abonnieren Sie den Podcast und entdecken Sie weitere Informationen und Kursangebote auf www.ipcourses.org.

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