T 428/23 - CORTEN Zaun (erfinderische Tätigkeit)

Shownotes

In dieser Folge sprechen Michael Stadler und Fabian Haiböck über die Entscheidung T 0428/23 einer Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 20. März 2025, die eine Beschwerde gegen eine Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA zum Gegenstand hat.

Gegenstand des Streitpatents ist eine Zaunkonstruktion mit Vertikalpfosten umfassend COR-TEN-Stahl, einer Stahllegierung, die eine charakteristische Patina ausbildet und sehr witterungsresistent ist.

Bei dieser Entscheidung beschäftigt sich die Beschwerdekammer insbesondere mit der Frage, ob ein Anreiz zur Änderung eines technischen Merkmals im nächstliegenden Stand der Technik vorhanden sein muss und verneint dies. Demnach kann eine erfinderische Tätigkeit verneint werden, solange sich die Aufgabe aus dem unterscheidenden Merkmal ergibt und eine allgemein bekannte Lösung bereitsteht. Ein Anreiz im nächstliegenden Stand der Technik selbst ist nicht erforderlich.

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00:00:04: Willkommen beim IP-Courses Podcast, dem Podcast für europäisches Patentrecht.

00:00:11: In dieser Folge geht es um einen Zaun und auch darum, in welchen Dokumenten man einen Anreiz für einen Fachmann finden muss,

00:00:20: um auf naheliegende Weise zur Erfindung zu gelangen.

00:00:23: Ich weiß zwar noch nicht so recht, worin die Besonderheiten eines Zauns liegen sollen, damit man dafür ein Patent kriegt,

00:00:28: Aber das wird mir heute mein Kollege Fabian Haiböck erzählen.

00:00:32: Hallo Fabian.

00:00:33: Hallo Michael.

00:00:35: Was ist das für ein besonderer Zaun, dass jemand versucht, hierfür ein Patent zu bekommen?

00:00:39: Versuchen wir es mal umgekehrt.

00:00:41: Wenn du jetzt an einen Zaun denkst, an welche Merkmale oder welche Merkmale muss so ein Zaun unbedingt haben?

00:00:47: Du hast immer irgendwelche Steher und irgendwelche Latten und idealerweise hast du ein Fundament,

00:00:52: damit der Zaun irgendwie vernünftig im Boden verankert ist.

00:00:56: Ja, genau das ist der Oberbegriff der Erfindung.

00:00:59: Sprich, wir haben Vertikalpfosten und Horizontalpfosten.

00:01:03: Das ist aber natürlich noch nicht die Erfindung.

00:01:05: Es wäre wahrscheinlich nicht wirklich neu.

00:01:07: Die Neuheit besteht darin, dass ein Teil der Vertikalpfosten einen metallischen Abschnitt haben.

00:01:15: Und dieser metallische Abschnitt, der ist jetzt aus Corten-Stahl gefertigt.

00:01:22: Ist das irgendein besonderer, neuartiger Stahl oder gibt es den eh schon?

00:01:27: Ja, man merkt, dass du nicht an der WU leerst, weil wenn du das nämlich tun würdest,

00:01:34: da wäre dir dieser Corten-Stahl sofort ein Begriff.

00:01:37: Da gibt es nämlich einige Gebäude, die als optische Außenfläche so einen Corten-Stahl haben.

00:01:43: Das ist einerseits besonders witterungsbeständiger Stahl und andererseits hat der eine recht charakteristische Patina.

00:01:50: Das schaut so ein bisschen Rostfarben aus.

00:01:54: Wie schaut denn jetzt unser Patentanspruch aus konkret, den unsere Anmelder hier haben wollten?

00:02:00: Wenn man sich den ersten Patentanspruch so ansieht, dann hat man das Gefühl,

00:02:05: die Patentinhaberin will nichts weniger als die Welt.

00:02:08: Es war nämlich ein sehr, sehr breiter Anspruch.

00:02:11: Es war ein Zaun bestehend oder umfassend.

00:02:14: Vertikalpfosten, Querpfosten und die Vertikalpfosten haben einen metallischen Abschnitt.

00:02:18: Punkt und Komma, das war es.

00:02:20: Kein Corten-Stahl.

00:02:21: Kein Corten-Stahl, das war der zweite abhängige Anspruch.

00:02:25: Ein sehr weitreichender Wunsch.

00:02:26: So ist es, aber Wünsche darf man hier äußern, ob sie gewährt werden, das ist eine andere Frage.

00:02:32: Und das Patentamt war eindeutig dagegen, hat einen Stand der Technik gefunden und gesagt,

00:02:37: nein, Zäune mit einem metallischen Abschnitt sind nicht neu.

00:02:42: Lieber Anmelder, bitte lass dir was Neues einfallen.

00:02:45: Dann kam der Corten-Stahl.

00:02:47: So ist es in Anspruch 2, wurde dann auch schon wahrscheinlich in weiser Voraussicht der Corten-Stahl erwähnt.

00:02:53: Jetzt aber dann tatsächlich nur mit einem gewissen Link.

00:02:56: Es ist nämlich gestanden Corten-Stahl, it is, und dann gab es eine ganz genaue Composition von dieser Zusammensetzung.

00:03:04: Okay, das heißt, es ist gar nicht so klar, was überhaupt Corten-Stahl ist.

00:03:07: Das musste man noch näher spezifizieren, um es für alle klar zu machen.

00:03:10: Sagen wir so, es gibt verschiedene Varianten.

00:03:13: Es gibt einen Corten-Stahl A, es gibt einen Corten-Stahl B.

00:03:16: Okay, und damit haben die dann versucht, ein Patent zu bekommen?

00:03:21: Sie haben es versucht. Das Patentamt hat dann aber weitere Entgegenhaltungen gefunden und hat dann gesagt, es ist nicht erfinderisch.

00:03:30: Die Patentinhaberin hat sich aber nicht wirklich aus der Ruhe bringen lassen, hat rein argumentativ geantwortet

00:03:37: und war dann auch erfolgreich mit dem Aufgabelösungsansatz und hat dann die Art 71 (3) EPÜ Mitteilung zugestellt bekommen.

00:03:47: Und akzeptiert?

00:03:50: Nein, hat es nicht akzeptiert.

00:03:51: Ganz interessant, ich war ein bisschen verblüfft.

00:03:53: Wenn man das kriegt, dann soll man doch einfach mal sagen, ja, Amen und bitte her damit.

00:03:58: Die Patentanmelderin hat einen Vertreterwechsel gehabt, der hat es dann ganz genau genommen

00:04:03: und hat sich dann überlegt, Moment mal, diese Zusammensetzung vom Stahl,

00:04:08: der muss doch gar nicht zwingend sein, es gibt andere Zusammensetzungen,

00:04:12: so ist es auch in der Beschreibung offenbart.

00:04:14: Versuchen wir es ein bisschen breiter.

00:04:16: Einfach mit Corten-Stahl?

00:04:17: Einfach mit Corten-Stahl, so ist es.

00:04:19: Und hat es funktioniert?

00:04:19: Hat funktioniert, auch ein bisschen verblüfft gewesen, ja.

00:04:23: Sehr schön, das heißt, die haben dann ein Patent bekommen auf einen Zaun,

00:04:28: einfach mit Corten-Stahl an bestimmten Stellen der Vertikallatten.

00:04:32: Genau so ist es.

00:04:34: Sehr schön.

00:04:35: Ich gehe mal davon aus, das war dem Mitbewerber jetzt vielleicht nicht so recht.

00:04:39: Genau, vor allem den Mitbewerbern, die umtriebig im Corten-Game sind, ja so ist es.

00:04:47: Okay, das heißt, ich gehe mal davon aus, irgendwer wird beim Europäischen Patentamt Einspruch eingelegt haben.

00:04:52: Was waren die Gründe dafür?

00:04:54: Die Gründe sind keine Überraschungen.

00:04:57: Einmal mangelnde Neuheit, einmal mangelnde erfinderische Tätigkeit.

00:05:02: Die mangelnde Neuheit, muss man sagen, das war eine neu eingeführte Druckschrift,

00:05:05: die war so nicht aus dem Prüfungsverfahren bekannt.

00:05:07: Und das hat jetzt eine Vorrichtung zum Zurückgewinnen von Offshore-Landschaften betroffen.

00:05:14: Also es war so eine hydraulische Vorrichtung, umfassend Vertikalpfosten, umfassend Querpfosten und umfassend Corten-Stahl.

00:05:24: Also so ein Gitter praktisch.

00:05:26: So ein Gitter, genau.

00:05:27: Und das Gitter könnte ich mir auch nehmen und vor das Haus pflanzen und dann hätte ich auch einen Zaun praktisch.

00:05:32: Es ist grundsätzlich wahrscheinlich möglich.

00:05:35: Ob das jetzt der beste Ausgangspunkt im Sinne eines nächstliegenden Standards der Technik ist, wage ich zu bezweifeln.

00:05:40: Aber es hat alle relevanten Merkmale gehabt.

00:05:44: Also ein schöner Zaun sozusagen, der da angeordnet war.

00:05:47: Okay, das heißt, so kann es dann offenbar nicht bleiben.

00:05:51: Genau.

00:05:51: Was war der nächste Versuch?

00:05:53: Der nächste Versuch war der ein oder andere Hilfsantrag,

00:05:57: brauchen wir jetzt nicht alle durchgehen, sondern nur den relevanten, den Hilfsantrag 5.

00:06:02: Und dieser Hilfsantrag hat jetzt mehrere unabhängige Ansprüche gehabt.

00:06:08: Und die haben sich im Wesentlichen darum gedreht,

00:06:10: dass jetzt die Querpfosten bestimmte Art und Weise mit dem Vertikalpfosten verbunden werden.

00:06:16: Einmal gab es da einen Anspruch, da haben die Vertikalpfosten ein Loch gehabt,

00:06:21: wo der Querpfosten reingesteckt wird.

00:06:23: Einmal hat dieser Vertikalpfosten eine U-förmige Sattelaufnahme gehabt

00:06:29: und so konnte zumindest mal Neuheit gegenüber dieser D7 geschaffen werden.

00:06:37: Okay, also die Unterschiede lagen dann konkret in dieser Art der Aufnahme der Horizontalpfosten.

00:06:44: Genau.

00:06:46: Was für ein Ding war die D6 nochmal?

00:06:49: Die D7, das war eine Vorrichtung zum Zurückgewinnen von Offshore- oder Strandabschnitten.

00:06:57: Okay, das tust du auf einen Bagger drauf, damit du...

00:07:01: Das ist so, ich glaube, das macht man, also da steckt man nach und nach in den Strand rein,

00:07:07: um irgendeinen Dreck oder so weg vom Strand zu bekommen.

00:07:12: Ich muss gestehen, ich habe mir das nicht im Detail angeschaut.

00:07:15: Was für ein schöner Zaun.

00:07:16: Es ist auf jeden Fall kein Gartenzaun, aber es hat vertikal und horizontal Pfosten.

00:07:22: Okay, aber jedenfalls nicht diese besondere Profilform,

00:07:24: dass man die horizontalen Latten so schön in den vertikalen Latten einbauen kann.

00:07:29: Genau, das sind wirklich hydraulische Geschichten, die sind verschweißt gewesen oder was auch immer.

00:07:32: Okay, und damit war man neu.

00:07:36: Das ist jetzt einmal der erste Punkt.

00:07:38: Genau.

00:07:39: Das ist ja nur die erste Hürde sozusagen.

00:07:41: War man auch erfinderisch?

00:07:43: Ja, ich habe das Problem der D7 quasi weggeschaffen,

00:07:47: weil ich habe es schon ein bisschen anklingen lassen.

00:07:50: Das ist nicht der nächstliegende Stand der Technik

00:07:52: und es ist wahrscheinlich auch argumentierbar,

00:07:53: dass das nicht der zuzügliche Stand der Technik ist.

00:07:55: Das heißt, ich war wieder vor anderen Problemen,

00:07:58: nämlich jetzt bleibt die erfinderische Tätigkeit.

00:08:00: Und was man jetzt noch machen hat müssen,

00:08:03: die erfinderische Tätigkeit gegenüber einem bereits aus dem Prüfungsverfahren bekannten Zaun herzustellen.

00:08:11: Und die Einsprechende, die ist jetzt gekommen mit wirklich einer Vielzahl anderer Druckschriften,

00:08:17: die Corten-Stahl in verschiedenen Anwendungen bereits zeigt.

00:08:22: Unter anderem war da auch ein Wikipedia-Artikel mit der Wayback-Maschine zu sehen,

00:08:26: wonach Corten-Stahl gerne für Bauwerke etc. eingesetzt werden

00:08:32: und Corten-Stahl wirklich sehr hervorragende, witterungsbeständige Eigenschaften hat.

00:08:37: Das heißt, wir haben jetzt zwei Stände der Technik.

00:08:39: Wir haben einmal als nächstkommenden Stand der Technik logischerweise irgendeinen Zaun,

00:08:44: der aber kein Corten drinnen hat und auf der anderen Seite die wunderbaren Eigenschaften von Corten.

00:08:52: Okay, wie der Einsprechende argumentiert, kann ich mir ungefähr vorstellen.

00:08:57: Wie argumentierst du da jetzt dagegen?

00:09:00: Es ist wirklich sehr, sehr interessant und ich muss sagen, auch durchaus kreativ.

00:09:03: Der nächstliegende oder nächstkommende Stand der Technik,

00:09:07: der hat bereits nämlich verschiedenste Möglichkeiten an Stahllegierungen oder Materialien vorgeschlagen,

00:09:13: wenn es darum geht, die Witterungsbeständigkeit von so einem Zaun zu verbessern.

00:09:16: Da gibt es Material A, B, C, D, E, aber eben natürlich nicht diesen Corten-Stahl.

00:09:22: Jetzt sagt die Patentinhaberin, also der nächstliegende Stand der Technik,

00:09:28: der gibt schon so viele verschiedene Möglichkeiten, da ist gar kein Anreiz für eine Fachperson,

00:09:34: sich noch auf die Suche nach anderen Materialien zu begeben.

00:09:39: Das heißt, das erste Argument, es fehlt der Anreiz im nächstliegenden Stand der Technik

00:09:43: und ein hilfsweises Argument, würde ich nur sagen, wurde dann weiter argumentiert,

00:09:51: dass in dem Wikipedia-Artikel steht, dass bei salzhaltigen und feuchten Bedingungen

00:09:58: dieser Corten-Stahl nicht unbedingt eingesetzt werden soll.

00:10:03: Spricht eigentlich dagegen, das in einem Zaun einzusetzen?

00:10:06: Genau, vor allem dieser Zaun, der hat ein paar Hinterschneidungen gehabt und Löcher

00:10:10: und wenn da die Flüssigkeit reinlässt, dann bitte eine Katastrophe für den Corten-Stahl.

00:10:15: Was passiert dem Corten-Stahl dann wirklich?

00:10:17: Ich gehe davon aus, dass er mit der Zeit...

00:10:23: rostet.

00:10:25: Ja, ich gehe davon aus, dass er mit der Zeit nicht nur in der Oberfläche anrostet, sondern einfach durchrostet.

00:10:31: Und dann bricht und dann ist er überhaupt unbrauchbar.

00:10:33: Es ist kein Gartensaun mehr.

00:10:35: Es ist eine natürliche Argumentation für die erfinderische Tätigkeit, dass man das ja nie im Leben heranziehen würde.

00:10:42: Das kennen wir aus hunderten EQE-Beispielen. Das ist eigentlich genau das.

00:10:48: hat die Einspruchsabteilung das geglaubt?

00:10:51: Wenn man davon ausgeht, dass dieser Anreiz im nächstliegenden Stand der Technik sein muss,

00:10:56: dann wäre es ja eigentlich eine korrekte Entscheidung.

00:10:59: Und offensichtlich im vorliegenden Fall hat das die Einspruchsabteilung getan

00:11:03: und hat gesagt, ja, wir glauben dir, liebe Patentinhaberin,

00:11:07: der Anspruchssatz soll so aufrecht erhalten werden.

00:11:12: Du hast erwähnt, dass die Einspruchsabteilung es für notwendig hält,

00:11:14: dass der Anreiz bereits im nächstkommenden Stand der Technik drinnen ist.

00:11:18: Das ist ja jetzt nicht so die herrschende Dogmatik.

00:11:21: Das war zumindest das Argument der Patentinhaberin

00:11:25: und die Einspruchsabteilung hat es dann einfach so übernommen.

00:11:31: Gut argumentiert.

00:11:32: Ja, so ist es. Überzeugend.

00:11:34: Überzeugend, ja.

00:11:36: Dagegen würde ich mich als Einsprechende beschweren.

00:11:41: Ich hoffe, die haben das auch gemacht.

00:11:42: T 0428 besprechen wir, gell.

00:11:44: Das heißt, so ist es.

00:11:47: Genau so ist es.

00:11:48: Es hat sich nur die Einsprechende beschwert.

00:11:53: Die Patentinhaber hat sich gedacht, ja, akzeptieren wir so.

00:11:58: Entschuldige, ist überhaupt teilweise aufrechterhalten worden,

00:12:01: also ist im beschränkten Umfang aufrechterhalten worden

00:12:03: oder ist der Einspruch völlig zurückgewiesen worden?

00:12:06: Nein, es war der Hilfsantrag.

00:12:09: Es war der Hilfsantrag, okay, passt.

00:12:10: Hilfsantrag 5 war das, ja.

00:12:11: Okay, ja.

00:12:12: Genau, also sie hätte sich beschweren können, aber sie hat es nicht gemacht.

00:12:16: Aber hat es nicht gemacht.

00:12:17: Okay, also das heißt, einzige Beschwerdeführerin ist die Einsprechende.

00:12:22: Genau.

00:12:23: Und wie hat die sich jetzt dazu geäußert?

00:12:26: Die Beschwerdeführerin begehrte, dass das Patent im vollen Umfang widerrufen wird.

00:12:30: Okay, und wie hat sie argumentiert?

00:12:32: Also wir haben jetzt diese Begründung der Einspruchsabteilung hier, die ist argumentierbar, sagen wir so.

00:12:39: Ich glaube sie nicht. Wie hat die Einsprechende und Beschwerdeführerin jetzt dagegen argumentiert?

00:12:45: Du hast das heute schon fast mit dem Zweifel vorweggenommen.

00:12:48: Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass es keinesfalls notwendig ist,

00:12:53: dass so ein Pointer im nächstliegenden Stand der Technik ist.

00:12:56: Ich meine, es ist ja in Wahrheit ein bisschen absurd,

00:12:58: wenn es - es würde ein bisschen den Aufgabelösungsansatz ad absurdum führen,

00:13:03: wenn immer ein Pointer schon im nächstliegenden Stand der Technik ist,

00:13:08: viel mehr, so hat sich argumentiert, reicht es schon, wenn der Pointer im hinzugezogenen Stand der Technik liegt.

00:13:16: Okay, in unserem Fall wäre das also dann zum Beispiel der Wikipedia-Artikel über den Corten-Stahl.

00:13:22: Was stand denn da jetzt drinnen, dass man das einfach so kombinieren kann?

00:13:27: Im Wikipedia-Artikel, und man muss jetzt auch sagen, es waren auch einige andere Druckschriften,

00:13:32: die eben diese Verwendung vom Corten-Stahl für verschiedene bauliche Maßnahmen vorgeschlagen hat.

00:13:39: Natürlich aber nicht genau mit dem Zaun. Das war so ein bisschen die Krux.

00:13:43: Und da stand drinnen, dieser Corten-Stahl, der ist sehr, sehr gut witterungsbeständig.

00:13:51: Das merken wir uns mal.

00:13:53: Umgekehrt im Aufgabelösungsansatz, wie gesagt, es war absolut unstrittig,

00:13:56: dass dieser Corten-Stahl das einzige Unterscheidungsmerkmal ist.

00:14:01: Und in der Beschreibung ist gestanden, und das war die Aufgabe der ganzen Erfindung,

00:14:05: einen Zaun möglichst witterungsbeständig zu machen.

00:14:07: Das heißt, wir haben das Merkmal Corten-Stahl, wir haben die technische Wirkung,

00:14:11: witterungsbeständig.

00:14:13: Und wir haben jetzt einen zuzüglichen Stand der Technik, wo steht Corten-Stahl ist super zum Einsetzen,

00:14:18: wenn es um eine Witterungsbeständigkeit geht.

00:14:20: Und das passt ja schon fast zusammen wie der Schlüssel ins Loch, wie die Faust aufs Auge.

00:14:27: Und das erfüllt eigentlich schon fast im EQE-Style den Aufgabelösungsansatz.

00:14:32: Und so hat das die Beschwerdeführerin argumentiert und so hat es dann auch die Beschwerdekammer tatsächlich gesehen.

00:14:41: Gab es dann noch andere Möglichkeiten für den Patentinhaber, sich zu verteidigen?

00:14:46: Zum Beispiel unter Heranziehung vielleicht dieser besonderen Corten-Stahl-Formulierung, hat die das probiert?

00:14:53: Die Corten-Stahl-Formulierung war keine Möglichkeit.

00:14:57: weil es gibt nicht so viele verschiedene Corten-Stahl-Legierungen und die sind, Fun Fact, die sind auch schon seit 1930 alle bekannt,

00:15:04: da zum ersten Mal patentiert worden. Das heißt, über den Corten-Stahl gewinnen wir diese Sache nicht.

00:15:12: Also Patent vollständig widerrufen?

00:15:14: Nein, nein. Es hat dann noch andere konstruktive Merkmale gegeben.

00:15:21: Wir sind jetzt wieder Richtung sattelförmiger Aufnahme und Loch und es gibt da eine Ausführungsform.

00:15:27: Da sind Laschen nach außen gebogen im Bereich dieser Löcher und über diese Laschen kann man die Querpfosten mit den Vertikalpfosten auf super Art und Weise verbinden.

00:15:38: Das hat zumindest die Patentinhaberin behauptet.

00:15:42: Beschwerdeführerin hat es dann anders gesehen.

00:15:44: Die hat nämlich argumentiert, der technische Effekt dieser Lasche, der wird nirgends in der Beschreibung beschrieben.

00:15:52: Das heißt, ich habe keinen technischen Effekt.

00:15:54: Per Definition kann es also keine erfinderische Tätigkeit begründen.

00:15:58: Eine Sache, die ja immer wieder auftritt, wenn man dann in der Beschwerde so interessante neue Patentansprüche bringt,

00:16:07: ist die die Verspätung hat.

00:16:08: Die Beschwerdekammer hat da irgendwas dazu gesagt oder hat es das einfach akzeptiert?

00:16:13: Das war keine große Thematik bei dieser Sache.

00:16:17: Okay. Und inhaltlich hat das gefruchtet?

00:16:21: Konnte man so erfinderisch werden?

00:16:22: Das Argument war ja, es ist nirgends beschrieben, was das für eine technische Wirkung hat.

00:16:26: Aber die Beschwerdekammer war der Meinung, man sieht es aus der Figur.

00:16:30: Eine Fachperson kann natürlich allein aus der Figur die technische Wirkung ablesen.

00:16:35: Das heißt, eine technische Wirkung ist schon ersichtlich.

00:16:41: Und man muss jetzt sagen, dann ist wieder der Aufgabe-Lösungsansatz doch sehr, sehr strikt.

00:16:46: Es hat einfach keinen Stand der Technik gegeben, der diese Laschen, seien sie noch so offensichtlich, vorweg nimmt.

00:16:52: Es hat einen Stand der Technik gegeben, wo die Laschen nach innen gebogen waren,

00:16:56: aber die Fachperson würde zumindest gemäß der Beschwerdekammer diese Laschen nicht einfach umbiegen,

00:17:01: sodass sie nach außen schauen. Es fehlt einfach da jetzt der Anreiz.

00:17:06: Und aus diesem Grund war dann diese nach außen gebogene Lasche,

00:17:11: die eigentlich, also man kann schon wirklich sagen, mit der Grundidee vom Patent sehr, sehr wenig zu tun hat,

00:17:18: der ausschlaggebende Faktor, warum das Patent dann in dieser Form aufrechterhalten worden ist.

00:17:23: Das ist ja insofern spannend, als es das Corten dann für die Patentierbarkeit überhaupt nicht gebraucht hätte.

00:17:30: Ich meine, schon klar wegstreichen kann man es nicht mehr, sonst erweitert man ja den Schutzbereich.

00:17:34: Aber das war dann praktisch ein Merkmal da drinnen, das vollkommen irrelevant war,

00:17:40: wenn es um die erfinderische Tätigkeit geht.

00:17:42: In dem Fall tatsächlich, ja.

00:17:45: Und zu den Laschen nach außen gab es einfach keinen weiteren Stand der Technik?

00:17:50: Genau, es gab Laschen, die nach innen gezeigt haben.

00:17:53: Die Fachperson würde aber keinerlei Hinweis darauf finden, dass man das jetzt zusätzlich nach außen piekt.

00:18:00: und somit sind wir gemäß dem Aufgabelösungsansatz erfinderisch.

00:18:06: Okay, das heißt, wir haben ja dann eigentlich in der konkreten Konstellation zwei Unterscheidungsmerkmale,

00:18:12: nämlich einmal den Corten-Stahl, den wir zwar vorher schon als naheliegend abgehandelt haben,

00:18:16: der aber immer noch ein neues Merkmal ist und auf der anderen Seite jetzt die besondere Laschenform.

00:18:21: Wie ist denn die Beschwerdekammer mit dieser Konstellation umgegangen?

00:18:25: Genau das hat die Beschwerdeführerin argumentiert.

00:18:28: Die hat gesagt, zwei Teilprobleme darf man unter Zuhilfenahme zwei verschiedenen zuzüglichen Stand der Technik Dokumenten lösen.

00:18:37: Die Patentinhaberin hat aber dann recht findig argumentiert, dass es kein Teilaufgabenproblem ist,

00:18:42: indem sie gesagt hat, die Laschen nach außen in dieser speziellen Konstellation,

00:18:47: die verhindert ein Eindringen von Feuchtigkeit etc. in diese Vertikalpfosten.

00:18:54: Und somit ist es quasi ein synergistischer Effekt, was weiter.

00:18:57: die Witterungsbeständigkeit von diesem Vertikalpfosten verbessert.

00:19:01: Aber unabhängig davon, selbst wenn es ein Teilaufgabenproblem gewesen wäre,

00:19:05: es hat keinen zuzüglichen Stand der Technik gegeben,

00:19:08: der dieses Umbiegen der Laschen nach außen gezeigt hat.

00:19:12: Das heißt, die waren da in Wahrheit chancenlos.

00:19:15: Also es hätte schon allein das Rausbiegen der Laschen gereicht.

00:19:18: Es hätte sozusagen den zusätzlichen Rückgriff auf den Corten-Stahl

00:19:23: und die synergistische Zusammenwirkung dieser Merkmale überhaupt nicht gebraucht,

00:19:27: weil schon die Laschen an sich für sich erfinderisch waren, die nach außen gebogenen.

00:19:32: In dem Fall ja.

00:19:33: Ich meine, es könnte sein, dass wenn es den Corten-Stahl nicht gebraucht hätte,

00:19:36: dass man irgendeinen anderen zuzüglichen Stand der Technik vielleicht noch gefunden hätte,

00:19:40: kann ich nicht sagen.

00:19:41: Durch diesen Corten-Stahl hat man ja einfach die hinzugenommenen Stand der Technik,

00:19:45: die Druckschriften, hat man ja schon so in eine Bahn gelenkt.

00:19:49: Wieso war das kein Verspätungsproblem?

00:19:51: Es hat ein Verspätungsproblem gegeben, aber diese Laschen haben es gesagt,

00:19:55: diese Überschreitung der ursprünglichen Offenbarung.

00:19:57: Und er hat gesagt, nein, die Laschen sind ja seit einem Einspruchsverfahren bekannt,

00:20:01: da hättet ihr damals die Art 123(2) EPÜ-Thematik bringen müssen.

00:20:05: Das heißt, es war im Einspruch schon bekannt.

00:20:08: Okay, also das heißt, der Einsprechende hätte sich in der Situation sinnvollerweise

00:20:13: schon zu dem Zeitpunkt mit Stand der Technik bewaffnen müssen,

00:20:17: um das in der Variante wegzubringen.

00:20:20: Okay, diese Entscheidung haben wir schön sehen können,

00:20:23: dass der Anreiz, der die Fachperson dazu verleitet, den nächstliegenden Stand der Technik zu erweitern und zu verbessern,

00:20:32: dass der sich nicht notwendigerweise aus dem nächstliegenden Stand der Technik ergeben muss,

00:20:37: der kann auch in einem anderen Dokument zu finden sein.

00:20:42: Vielen Dank Fabian für diese Entscheidung und bis zum nächsten Mal.

00:20:46: Bis zum nächsten Mal. Vielen, vielen Dank.

00:20:56: Das war ein IP-Courses-Podcast.

00:20:59: Für Feedback schreiben Sie uns an podcast@ipcourses.org,

00:21:04: abonnieren Sie den Podcast und entdecken Sie weitere Informationen und Kursangebote auf www.ipcourses.org.

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