UPC_CFI_505/2024 - Sanofi/Regeneron ./. Amgen (Patentverletzung / Second Medical Use Claims)

Shownotes

In dieser Folge des IP Courses Podcasts spricht Michael Stadler mit Andreas Wildhack, Patentanwalt und Chemiker, über die erste Entscheidung des Einheitlichen Patentgerichts (UPC) zu sogenannten Second Medical Use Claims – also Patenten, die eine neue medizinische Verwendung eines bereits bekannten Wirkstoffs schützen.

Ausgangspunkt ist der Streit zwischen Amgen auf der einen und Sanofi/Regeneron auf der anderen Seite um das Medikament Praluent (Alirocumab) bzw. Repatha (Evolocumab), beides Antikörper, die an das PCSK9-Protein binden und den Cholesterinspiegel senken. Das Streitpatent (EP 3 536 712) schützt die Verwendung solcher PCSK9-Inhibitoren zur Senkung des Lipoprotein-A-Spiegels (Lp(a)), während die zugelassenen Medikamente nur zur LDL-Senkung genehmigt sind.

Das UPC stellte klar, dass zur Verletzung eines solchen medizinischen Verwendungsanspruchs zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

  1. Objektiv, das Produkt muss so angeboten oder vertrieben werden, dass es zur beanspruchten therapeutischen Verwendung führt oder führen kann, und
  2. Subjektiv, der Anbieter muss wissen oder vernünftigerweise wissen müssen, dass diese Verwendung eintritt.

Da Regeneron keine Beweise für tatsächliche Off-Label-Verschreibungen oder ein entsprechendes Wissen von Amgen vorlegen konnte, verneinte das UPC eine Patentverletzung. Die Entscheidung zeigt: Das UPC folgt nicht vollständig der deutschen Dogmatik des „sinnfälligen Herrichtens“, sondern entwickelt einen eigenen, zweistufigen Prüfungsmaßstab. Kläger müssen künftig frühzeitig belastbare Beweise für objektive Marktverwendung und subjektive Kenntnis des Beklagten vorlegen, um Erfolg zu haben.

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00:00:03: Willkommen beim IP Courses-Podcast, dem Podcast für europäisches Patentrecht.

00:00:13: Arzneimittelstreitigkeiten gehören zweifellos zu den komplexesten Fällen,

00:00:16: die das Patentrecht so zu bieten hat und auch die Streitwerte sind in der Regel sehr hoch.

00:00:20: Besonders interessant wird es, wenn wir uns mit sogenannten medizinischen

00:00:24: Verwendungsansprüchen beschäftigen, denn die haben Sinn sich. Schon bei der Frage nach der

00:00:28: Neuheit gelten für sie Sonderregeln. Hier kann eine ganz bestimmte Anwendung einem an sich

00:00:33: bekannten Wirkstoff neues Leben einhauchen, zumindest aus patentrechtlicher Sicht. Aber auch

00:00:38: bei der Frage, ob ein Patent verletzt wurde, wird es anspruchsvoll. Denn dann kommt es auf die genaue

00:00:43: Formulierung des Anspruchs an und auf die praktische Umsetzung. Wie weit reicht also der Schutz für eine

00:00:49: medizinische Verwendung wirklich? Und wann ist die Grenze zur Patentverletzung überschritten? In dieser Folge des IP Courses Podcasts tauchen wir

00:00:58: einmal in die Welt der Medical Use Claims ein und schauen ganz konkret darauf, wie das

00:01:03: Einheitliche Europäische Patentgericht den Schutzbereich von solchen Patentansprüchen

00:01:07: absteckt und vor allem, worauf es im Streitfall ankommt.

00:01:11: Und weil ich als Elektrotechniker bei pharmazeutischen Details gerne mal verzweifle, habe ich mir

00:01:15: heute fachkundige Hilfe geholt.

00:01:17: Andreas Wildhack ist Patentanwalt und Chemiker und damit genau der Richtige, um uns durch

00:01:21: diesen Fall zu lotsen.

00:01:23: Ich freue mich, dass du heute bei uns im Podcast zu Gast bist.

00:01:26: Hallo Andreas.

00:01:27: Hallo Michael und danke für die Einladung.

00:01:30: Ja, vielleicht können wir gleich einmal beginnen, uns das Umfeld dieser Streitigkeit anzuschauen.

00:01:34: Du hast mir bereits im Vorgespräch gesagt, da wurde gröber gestritten.

00:01:38: Was war denn da insgesamt so los zwischen unseren Streitparteien?

00:01:41: Ja, das ist in der Tat richtig.

00:01:44: Die beiden Streitparteien haben sich hier schon seit über zehn Jahren in den Haaren

00:01:50: und dieser Streit erstreckt sich ungefähr seit 2014 bereits.

00:01:56: Die Streitparteien sind in dem Fall auf der einen Seite Amgen bzw. die Amgen Group und auf der anderen Seite Sanofi bzw. Regeneron.

00:02:07: Und diese Streitigkeit hat sich damals auf die nationalen Gerichte erstreckt und auch auf Diskussionen über die Rechtsbeständigkeit von Patenten,

00:02:19: zum Beispiel beim Europäischen Patentamt und ist dann nach Inkrafttreten des UPC auch aufs UPC übergeschwappt.

00:02:28: Und die beiden Parteien in diesem Fall haben unterschiedliche Patente

00:02:34: und haben sich wechselseitig mit Eingriffs- und Verletzungsklagen

00:02:40: beziehungsweise Nichtigkeitsklagen, Einsprüchen etc. überzogen über die Jahre.

00:02:46: Das heißt, hier in diesem Fall haben beide Seiten Patente.

00:02:49: Und eines dieser Patente ist lustigerweise am allerersten Tag des UPC beim UPC aufgeschlagen.

00:02:58: Also das war der allererste Fall, der beim UPC überhaupt anhängig gemacht wurde.

00:03:02: Damit wir wissen, auf welchen Fall wir uns jetzt einstellen, was war eigentlich die Idee oder die Erfindung, die hinter diesem Patent liegt?

00:03:09: Es geht vorliegend um ein Produkt von Sanofi bzw. Regeneron.

00:03:17: Und zwar ist das das Präparat Preluent.

00:03:22: Dabei handelt es sich um ein Medikament, das den Wirkstoff Alirokumab enthält.

00:03:28: Alirokumab ist ein Antikörper.

00:03:32: Dieser Antikörper ist der Wirkstoff in diesem pharmazeutischen Präparat,

00:03:37: der so funktioniert, dass er an das PCSK9-Protein im Körper bindet.

00:03:45: Dieses Protein hemmt normalerweise die Fähigkeit der Leber, das LDL-Cholesterin abzubauen.

00:03:53: Und der Antikörper, Alirokumab, führt dazu, dass die LDL-Cholesterin-Aufnahme der Leber verstärkt wird,

00:04:01: was wiederum dazu führt, dass die Cholesterin-Werte, also die LDL-Werte sich senken.

00:04:07: LDL kennen wir ja alle aus dem Blutbild.

00:04:12: Das heißt, bei jedem Blutbild wird der LDL-Wert bestimmt.

00:04:16: Das ist quasi der schlechte Cholesterin.

00:04:18: Der Vergleich oder der Relation HDL zu LDL ist immer so ein bekannter Risikofaktor

00:04:25: für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arteriosklerose, Herzinfarkt, Schlaganfall etc.

00:04:31: Und darum geht es hier.

00:04:33: Das heißt, das ist auch die Intention oder die medizinische Indikation von diesem Wirkstoff,

00:04:39: von diesem Medikament.

00:04:41: nämlich erhöhte Cholesterinwerte zu behandeln, also Hypercholesterinamie zu bekämpfen.

00:04:50: Also um es mit meinen Worten, mit meinen laienhaften Worten zusammenzufassen,

00:04:56: wir haben praktisch einen Antikörper, den man in den Körper hineingibt,

00:05:00: den man in den menschlichen Körper hineingibt und dann beseitigt er dieses LDL

00:05:05: und dadurch wird sozusagen die Wahrscheinlichkeit, dass man Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekommt, reduziert.

00:05:12: Richtig. Das heißt, der Antikörper senkt den Cholesterinspiegel.

00:05:16: Das ist das medizinische Präparat von Sanofi und Regeneron, das am Markt ist.

00:05:25: Und darum geht es auch im Patentanspruch.

00:05:27: Das heißt, der Patentanspruch 1 betrifft und schützt eine pharmazeutische Zusammensetzung mit einem solchen Antikörper, also mit einem PCSK9-Inhibitor.

00:05:41: Und dieser Inhibitor ist funktionell definiert in diesem Fall.

00:05:47: Das heißt, er ist nicht konkret strukturell funktioniert, sondern hat eine funktionelle Definition,

00:05:53: nämlich, dass es sich dabei um einen Antikörper handelt, der eben spezifisch PCSK9 bindet.

00:06:02: Auf das kommen wir dann später noch zurück.

00:06:04: Auf jeden Fall ist es patentrechtlich so, dass es sich um einen Second Medical Use Claim handelt,

00:06:09: in Form eines zweckgebundenen Stoffschutzanspruchs.

00:06:13: also geschützt ist eine pharmazeutische Zusammensetzung mit einem solchen Antikörper.

00:06:20: Entscheidend ist dann jetzt hier die medizinische Indikation, also das Verwendungsmerkmal.

00:06:28: Und in diesem Fall ist dieses Merkmal die Senkung des Lipoprotein-A-Spiegels.

00:06:37: Dazu kurze Erklärung. Es gibt LDL, das ist das klassische Low-Density-Lipoprotein, und es gibt das Lipoprotein A, das ist ein anderes Lipoprotein.

00:06:51: Das hat zwar eine chemisch ähnliche Struktur, ist aber was anderes.

00:06:55: Und im Blutbild werden auch diese beiden Cholesterine gemessen, das heißt es gibt einen LDL-Wert und es gibt einen LPA, also einen Lipoprotein-A-Wert.

00:07:05: Das heißt, wir werden jetzt hier öfter von LDL reden und von Lipoprotein A.

00:07:10: Das sind zwei unterschiedliche Dinge.

00:07:12: Im Produkt geht es um LDL.

00:07:15: Das heißt, das Produkt von Sanofi und Regeneron ist zugelassen für die Senkung des LDL-Wertes.

00:07:22: Das Patent ist gerichtet auf eine Verwendung zur Senkung des LPA, des Lipoprotein-A-Spiegels.

00:07:30: Okay?

00:07:31: Okay.

00:07:32: Das ist eine relevante Voraussetzung, weil die Verwendung von solchen PCSK9-Inhibitoren für die LDL-Senkung war bereits lange vorher bekannt.

00:07:45: Das heißt, die Erfindung liegt dann eigentlich darin, dass man draufgekommen ist, dass diese PCSK9-Inhibitoren auch dazu geeignet sind, LPA zu reduzieren.

00:07:56: Richtig, das ist ein Teil des Anspruchs.

00:07:59: Nicht alles, weil diese medizinische Indikation hat hier noch weitere Merkmale im Patentanspruch,

00:08:05: nämlich auch zusätzlich zum Senken dieses Lipoprotein-A-Spiegels eine definierte Patientengruppe.

00:08:13: Auch das ist möglich bei einem zweiten medizinischen Indikationsanspruch.

00:08:17: Und zwar ist die Patientengruppe mit speziellen Parametern definiert,

00:08:22: nämlich dass die Patienten, die damit behandelt werden, einen PA-Serum-Spiegel von mehr als 30 mg pro Deziliter aufweisen

00:08:32: und dass bei ihnen eine kardiovaskuläre Erkrankung diagnostiziert wurde,

00:08:38: beziehungsweise dass das Risiko einer solchen Erkrankung besteht.

00:08:41: Und noch als weiteres Merkmal, dass die Patienten nicht gegen andere Behandlungen ansprechen.

00:08:49: Ich sage es jetzt einmal ein bisschen flapsig, also das heißt, dass die Patienten nicht auf einem therapeutischen Statinschema sind.

00:08:56: Das heißt, dass sie quasi gegen herkömmliche Behandlungen anderer Art nicht angesprochen haben.

00:09:01: Erst dann wird dieses Medikament verabreicht.

00:09:04: Der erste Schritt ist normalerweise, man macht eine Diät oder versucht es über den Cholesterinspiegel, über normale Diäten in den Griff zu kriegen.

00:09:15: Wenn das nicht klappt, nimmt man Medikamente dagegen und wenn das dann auch nicht klappt,

00:09:22: kommt diese Therapie mit dem Antikörper zum Einsatz.

00:09:26: Also unser medizinisches Verwendungsmerkmal kann sich praktisch auch darauf beziehen,

00:09:31: dass man eine neue Notlösung schafft für bestimmte Patientengruppen,

00:09:35: die auf andere Behandlungen nicht ansprechen.

00:09:37: Und das kann dann auch der Umstand sein, der unseren Patentanspruch hier Neuheit verleiht.

00:09:43: Richtig, das ist eigentlich auch das, was sich dann über die Jahre und Jahrzehnte bei diesen Second Medical Use Claims entwickelt hat.

00:09:53: Und dass es nicht nur in der medizinischen Indikation liegt, die Neuheit, sondern auch in einer speziellen Dosierungsanleitung und oder Patientengruppe.

00:10:02: Zum Beispiel in der G 2/08 ist ja da beim Europäischen Patentamt dann von der Großen Beschwerdekammer entschieden worden, dass die Neuheit auch in einer speziellen Dosierungsanleitung liegen kann.

00:10:15: Also wie und in welchen Dosierungen und wann man etwas verabreicht.

00:10:20: Also das sind so Spielarten und Ausgestaltungen vom Second Medical Use Claims und da gehört eben eine bestimmte Patientengruppe dazu.

00:10:28: Bevor wir uns dann den eigentlichen Patentverletzungsfall anschauen, kannst du uns vielleicht noch kurz ein bisschen die Vorgeschichte dieses Patents näher bringen.

00:10:37: Das Patent, um das es hier geht und das Grundlage von dieser Entscheidung war, ist das europäische Patent EP3536712.

00:10:46: Das ist typisch für solche pharmazeutische Präparate, dass es Teil einer großen Familie ist.

00:10:56: Das ist auch dieser typische Evergreening-Gedanke, dass man hier Teilanmeldungen macht und hier es zahlreiche Teilanmeldungen gibt.

00:11:06: Und auch das EP712 ist eine solche Teilanmeldung bzw. ist aus einer solchen Teilanmeldung entstanden.

00:11:13: Auch hier wurden strategisch die üblichen Spielchen und alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um sich bestmöglich aufzustellen.

00:11:26: So hat man hier zum Beispiel die Stammanmeldung bzw. das Patent, das aus der Stammanmeldung entstanden ist, herausoptiert, um es nicht dem UPC zu unterwerfen.

00:11:42: Und gegen das Stammpatent sind zum Beispiel nationale Nichtigkeitsverfahren in Deutschland anhängig.

00:11:47: Man hat sich hier eben mehrgleisig aufgestellt, indem man dann die Teilanmeldung dem UPC unterworfen hat oder im UPC belassen hat.

00:11:56: und ein Einheitspatent gemacht hat und auf diese Weise eben hier beim UPC auch die Möglichkeit hat, vorzugehen.

00:12:06: Gegen das Patent EP712 sind auch, wie zu erwarten war, Einspruchsverfahren beim Europäischen Patentamt anhängig.

00:12:16: Also auch hier ist die Doppelgleisigkeit gegeben.

00:12:19: In diesem Fall, um vorzugreifen, gibt es zumindest noch keine divergierenden Entscheidungen.

00:12:26: Das heißt, in diesem Fall dürften sich zumindest die ersten Instanzen einig sein, dass das Patent rechtsbeständig ist.

00:12:36: Aber es laufen zumindest parallele Verfahren beim EPA und auch eben beim UPC, wo es um die Rechtsbeständigkeit geht.

00:12:45: Strategisch wird es da typischerweise so gehandhabt, dass man eine Patentanmeldung hat

00:12:50: und davon mehrere oder viele Teilanmeldungen hat, die sich dann auf unterschiedliche Aspekte beziehen.

00:12:57: Was ist es denn da, was typischerweise so abgewandelt wird?

00:13:01: Naja, also ein Aspekt, der hier auch interessant ist, um es vielleicht vorwegzunehmen,

00:13:07: ist bereits die Anspruchsformulierung.

00:13:11: Also hier wurde der Antikörper funktionell beansprucht.

00:13:17: Das ist völlig okay und unproblematisch in Europa und zulässig.

00:13:21: Und solche Patente werden erteilt, wo der Antikörper eben nicht strukturell formuliert ist

00:13:26: und definiert ist im Anspruch, sondern eben wie hier durch die Art, wie er bindet.

00:13:33: Also in dem Fall ist der Anspruch darauf gerichtet, dass es einen Antikörper betrifft,

00:13:39: der spezifisch PCSK9 bindet.

00:13:42: Das heißt, kann ich mir das so vorstellen, dass ich dann, wenn ohnehin genügend Geld da ist und das Produkt wertvoll ist,

00:13:49: dass ich dann einfach beginne, sämtliche Möglichkeiten an Formulierungen des Moleküls oder des Antikörpers

00:13:57: und dann auch die einzelnen Möglichkeiten des medizinischen Verwendungsmerkmals einfach durchzupermutieren

00:14:04: und zu schauen, was überbleibt bzw. was ich bekomme.

00:14:09: Und wenn ich mehrere Möglichkeiten finde, dann bekomme ich halt mehrere Patente in Teilanmeldungen

00:14:13: und kann so meinen Schutzbereich ideal ausdehnen.

00:14:16: Richtig, und das ist üblich und auch nicht negativ zu sehen.

00:14:20: Das ist eine übliche Praxis und dient dazu, sozusagen den Patentschutz auf das Produkt zu maximieren.

00:14:32: Man weiß ja nie, womit man es zukünftig zu tun hat, mit welchen Eingriffsprodukten

00:14:37: und versucht sich als Patentinhaber so breit wie möglich aufzustellen.

00:14:42: Deswegen auch diese funktionelle Kennzeichnung, um zum Beispiel auch andere Antikörper zu erfassen.

00:14:49: Man möchte natürlich auch einen Antikörper verhindern, der das Gleiche bewirkt,

00:14:54: nämlich die Cholesterinsenkung, aber ein anderer Antikörper ist beispielsweise.

00:14:59: Da hat man eben die Mittel dazu, formulierungstechnisch im Anspruch,

00:15:03: versuchen, seinen Schutzbereich auszudehnen und zu maximieren.

00:15:08: Okay, jetzt schauen wir uns unseren Streitfall einmal ganz konkret an.

00:15:13: Wir haben ein Patent, das wurde erteilt mit einer ganz konkreten Anspruchsformulierung.

00:15:19: Damit es eine Patentverletzung gibt, muss ja unser vermeintlicher Patentverletzer

00:15:25: irgendwas gemacht haben, das den Patentinhaber stört.

00:15:29: Wie schaut denn jetzt die Verletzungshandlung aus, die im Verfahren vom UPC releviert worden ist?

00:15:36: Die mutmaßliche Verletzungshandlung, die hier von Regeneron und Sanofi Amgen vorgeworfen wurde,

00:15:47: war die Tatsache, dass Amgen ein pharmazeutisches Präparat auf den Markt gebracht hat,

00:15:55: das ganz genauso einen Antikörper beinhaltet hat zur Behandlung von erhöhten Cholesterinwerten.

00:16:05: Ebenfalls als Injektion verabreicht und mit derselben Intention,

00:16:12: nämlich dass es dann eingesetzt wird, dieses Präparat,

00:16:16: wenn normale cholesterinsenkende Diäten allein zum Beispiel nicht ausreichen

00:16:22: oder wenn andere cholesterinsenkende Medikamente beispielsweise nicht ausreichend wirken.

00:16:28: Dann ist sozusagen der Zeitpunkt, wo man zu diesen medizinischen Präparaten greift.

00:16:35: Und Amgen hat eben ein Präparat auf dem Markt, das sich Repatha oder Repatha nennt.

00:16:44: Dieses Präparat hat jetzt nicht den gleichen Antikörper wie das Produkt von Regeneron,

00:16:51: sondern einen anderen Antikörper, nämlich Evolocumab.

00:16:56: Das sind strukturell unterschiedliche Antikörper, wirken aber gleich.

00:17:00: Das heißt, funktionell binden beide diese Antikörper spezifisch an PCSK9

00:17:06: und wirken dementsprechend gleich cholesterinsenkend.

00:17:09: Das sind aber zwei unterschiedliche Präparate.

00:17:14: Das war so quasi ein Teil der Diskussion.

00:17:18: Der andere Teil der Diskussion hat sich dann um die medizinische Indikation gedreht, nämlich um das Verwendungsmerkmal.

00:17:29: Wie hat denn Amgen dieses Produkt verwendet bzw. was ist denn auf dem Beipackzettel gestanden?

00:17:37: Es ist da wichtig zu wissen jetzt einmal, was der Beipackzettel ist bzw. was die medizinische Zulassung ist, weil darauf kommt es jetzt hier an.

00:17:46: und es ist interessant zu sehen, dass der Patentanspruch sich auf die Senkung des Lipoprotein-A-Spiegels richtet.

00:17:58: Die medizinische Zulassung von beiden Produkten, also sowohl vom Produkt der Patentinhaberin als auch vom Produkt von Amgen,

00:18:08: bezieht sich aber nicht auf die Lipoprotein-A-Senkung, sondern auf die Senkung von LDL.

00:18:15: Zugelassen war das Produkt von Amgen für die Senkung des LDL-Spiegels.

00:18:22: Im Beipackzettel, also in den sogenannten SMPCs, ist auch das natürlich drinnen gestanden.

00:18:29: Also in der Fachinformation bzw. im Beipackzettel von einem pharmazeutischen Präparat steht dann natürlich drinnen, wofür es zugelassen ist.

00:18:37: Das ist eine notwendige Information für die Ärzte, für die, die das Präparat dann auch verschreiben, den Patienten, aber natürlich auch für die Patienten selber.

00:18:47: Das heißt, in dem Punkt 4.1 der Fachinformation steht drinnen, wofür dieses medizinische Produkt offiziell zugelassen ist.

00:18:58: Auch dort in diesem Punkt 4.1 steht nichts davon drinnen, dass es zur Senkung des Lipoprotein-A-Spiegels dient,

00:19:05: sondern auch dort in dem Punkt 4.1 der Fachinformation vom Amgen-Präparat stand und steht drinnen,

00:19:11: dass es für die Senkung von LDL zugelassen ist.

00:19:15: Ist es denn möglich, den LDA-Spiegel auch mit dem Amgen-Präparat zu senken?

00:19:20: Ja, das heißt, das Amgen-Präparat wirkt im Prinzip genau gleich wie das Präparat von Regeneron und Sanofi.

00:19:30: Beide Präparate senken sowohl den LDL-Spiegel als auch den Lipoprotein-A-Spiegel.

00:19:35: Das war auch keine Diskussion, das stand auch außer Streit.

00:19:37: Das heißt, die objektive Wirkung von beiden Produkten war identisch, beziehungsweise im Wesentlichen gleich.

00:19:44: Das heißt, es war so eine Art Bonuseffekt, dass das Präparat von Amgen zwar nur für LDL zugelassen war,

00:19:56: aber zwangsläufig "nebenbei" auch den Lipoprotein-A-Spiegel gesenkt hat.

00:20:03: Okay, jetzt ist einmal der Sachverhalt komplett.

00:20:06: Ich gehe davon aus, dass sich der Patentinhaber jetzt an dem Verhalten des Konkurrenten, also dem Verhalten von Amgen, gestört hat.

00:20:14: Jetzt schauen wir uns einmal das Verfahren vot dem Einheitlichen Patentgericht an.

00:20:19: Wird jetzt der Patentinhaber versucht, seine Rechte durchzusetzen?

00:20:23: Und vor allem auch, wie hat sich unser Beklagter gewährt?

00:20:27: Es war im Prinzip ein relativ normal ablaufendes UPC-Verfahren.

00:20:34: Das heißt, Regeneron hat geklagt, Amgen hat einen Counterclaim for Revocation gemacht.

00:20:42: Die Situation war eigentlich so, wie man es erwarten konnte in einem UPC-Verfahren und auch die Timeline war so, wie sie vorgegeben ist in dem Korsett des UPC.

00:20:57: Das heißt also, der Patentanspruch, so wie wir ihn gerade besprochen haben, der war aber rechtsbeständig. Also selbst wenn die Validity, also die Rechtsbeständigkeit des Patents hier bestritten war, können wir davon ausgehen, gestritten wurde letztendlich um den Patentanspruch, so wie wir ihn gerade diskutiert haben.

00:21:14: Richtig, ja. Also das heißt, um das vorzugreifen, das Patent wurde vom UPC für rechtsbeständig erachtet.

00:21:21: Das heißt, der Counter-Claim for Revocation, dem wurde nicht stattgegeben.

00:21:26: Das deckt sich in diesem Fall auch mit der parallelen Einschätzung des europäischen Patentamts im Einspruchsverfahren.

00:21:32: Das heißt, der Anspruch, so wie er erteilt ist, wurde auch dann der Frage der Verletzung zugrunde gelegt.

00:21:39: Wie man die Patentierbarkeit von so einem Second Medical Use Claim betrachtet,

00:21:42: Könnten wir uns einmal separat anschauen. Jetzt gehen wir aber davon aus, der Patentanspruch ist, wie er erteilt ist, weiterhin gültig.

00:21:49: Und wir schauen uns jetzt an im Vergleich, hat denn das Verhalten von Amgen dazu geführt, dass hier eine Patentverletzung vorliegt oder nicht?

00:21:57: Genau. Und zwar war der Fall so, dass bei dem Produkt von Amgen in der Fachinformation und im Beipackzettel

00:22:07: natürlich nicht die Verwendung zur Senkung des Lipoprotein-A-Spiegels explizit drinnen gestanden hat.

00:22:17: Auch natürlich, weil das Produkt dafür nicht zugelassen war.

00:22:22: Was aber drinnen gestanden hat, im Beipackzettel und in der Fachinformation, und zwar in Punkt 5.1,

00:22:30: war die Wirksamkeit, dass das Produkt tatsächlich die Lipoprotein-A-Spiegel senkt.

00:22:42: Unabhängig davon, und obwohl es gar nicht dafür zugelassen ist, aber diese Information ist im Beipackzettel gestanden.

00:22:48: Das war quasi der Aufhänger für die Klage von Regeneron, weil Regeneron hat gesagt, mehr oder weniger jetzt in einfachen Worten,

00:22:58: wenn das im Beipackzettel steht und der verschreibende Arzt liest das, dann weiß der Arzt, dass das Präparat Repatha diesen Effekt hat.

00:23:11: Und dann wird er auch eine Veranlassung haben, das seinen Patienten zu verschreiben.

00:23:19: auch wenn es dafür nicht zugelassen ist.

00:23:21: Der Arzt hat die ärztliche Freiheit, das zu tun.

00:23:24: Also er kann Präparate off-label verschreiben.

00:23:27: Off-label heißt, wenn er das Präparat sozusagen außerhalb der Zulassung

00:23:30: und außerhalb der Fachinformation verschreibt, das darf der Arzt.

00:23:35: Und wenn er diese Informationen hat, so Regeneron,

00:23:38: dann hat er hier quasi eine aus dem Beipackzettel ergebende direkte Veranlassung,

00:23:45: das auch zu tun.

00:23:47: Okay, das war jetzt also die Argumentation, wie der Patentinhaber die Sache sieht.

00:23:51: Der meint also mehr oder weniger, dass das Präparat bzw. die Produktinformation,

00:23:59: die dem Präparat beigegeben ist, die Ärzte praktisch dazu verleitet,

00:24:03: das Präparat zu verschreiben, wenn man dieses Lipoprotein A reduzieren möchte

00:24:09: und das praktisch eine Werbung zur Patentverletzung ist.

00:24:12: Wie hat sich denn jetzt unser Beklagter, also in dem Fall Amgen, dazu gestellt?

00:24:17: Wie haben die dagegen argumentiert?

00:24:20: Amgen hat gesagt, dass diese Information in Punkt 5.1 von der Fachinformation und vom Beipackzettel nicht ausreicht,

00:24:27: beziehungsweise jetzt keine Veranlassung für den verschreibenden Arzt ist.

00:24:32: Amgen hat gesagt, dass es eine formal notwendige Information ist, die im Beipackzettel so drinnenstehen muss, aus zulassungstechnischen Gründen.

00:24:42: muss man Vor- und Nachteile zum Beispiel nennen oder Wirkungen anführen im Beipackzettel,

00:24:48: auch wenn es jetzt nicht um den zugelassenen Effekt geht, um dem Arzt zu ermöglichen,

00:24:54: allfällige Nebenwirkungen besser beurteilen zu können.

00:24:57: Das heißt, Amgen hat sich verteidigt, dass diese pharmakokinetischen Daten,

00:25:01: die hier in Punkt 5.1 drinnen stehen, einfach nur Background-Information sind

00:25:06: und jetzt nicht dazu dienen, den Arzt zu veranlassen,

00:25:13: dieses Produkt off-label zu verschreiben, seinen Patienten.

00:25:17: Haben die das denn da draufschreiben müssen?

00:25:19: Also gab es irgendwelche regulatorischen Vorgaben, nach denen die das da reinschreiben müssen,

00:25:23: weil sie sonst sorgfaltswidrig agieren?

00:25:26: Das war das Argument von Amgen.

00:25:29: So sehe ich das auch.

00:25:30: Also ich bin jetzt kein regulatorischer Experte, was das betrifft und was die Informationen betrifft.

00:25:36: die in Beipackzetteln und in der Fachinformation stehen müssen.

00:25:39: Aber das war das Argument und ich glaube, das ist auch tatsächlich der Fall gewesen,

00:25:45: dass diese Informationen einfach in Punkt 5.1 der Vollständigkeit halber aus pharmakokinetischer Sicht drinnen stehen müssen.

00:25:53: Ganz einfach, weil es diese Studien gibt und weil man hier als Vertreiber von pharmazeutischen Präparaten

00:25:59: diese Informationen, die man hat, auch in die Fachinformation hineinschreiben muss.

00:26:05: Jetzt gibt es ja unterschiedliche Herangehensweisen in der Rechtsprechung, wenn es darum geht, ob ein Medical Use Merkmal erfüllt ist oder nicht.

00:26:13: In der deutschen Rechtsprechung gibt es ja unterschiedliche Ansätze und Vorgehensweisen, vor allem um den Begriff des sinnfälligen Herrichtens herum.

00:26:21: Da hat die deutsche Rechtsprechung auch in einigen Entscheidungen klargestellt, worauf es ankommt.

00:26:27: Und nachdem die Entscheidung ja jetzt zwar vom UPC, aber auch aus Deutschland und auch mit deutschen Richtern kommt und von deutschen Richtern auch mitgetroffen wurde, hat sich da die deutsche Auffassung in der Haltung des Einheitlichen Patentgerichts wiedergespiegelt.

00:26:44: Naja, es ist eine interessante Frage, die keine ganz klare Antwort jetzt zulässt, aber gehen wir vielleicht einmal Schritt für Schritt vor.

00:26:54: Und zwar ist es aktuell in Deutschland so, dass sich hier zuletzt in Düsseldorf eine differenzierte Rechtsprechung zur Haftung von Second Medical Use Claims herausgebildet hat.

00:27:09: Und zwar unterscheiden die deutschen Kollegen hier zwei Haftungskriterien, zwei Ansätze.

00:27:18: Und zwar der eine ist der direktere Ansatz und zwar die sogenannte herrichtungsbasierte Haftung oder die sinnfällige Herrichtung,

00:27:29: die durch direkte und unmittelbare Informationen hervorgerufen wird.

00:27:36: Das heißt, das ist sozusagen etwas, wenn man in der Fachinformation, im Beipackzettel,

00:27:41: konkrete Informationen gibt, wie ein Produkt zu verwenden ist.

00:27:45: Und dann gibt es eine zweite Gruppe, die sich jetzt in den letzten Jahren herauskristallisiert hat

00:27:54: und das Ganze auch erweitert und noch mehr patentinhaberfreundlich ist.

00:28:03: Und zwar ist da die zugrunde liegende Frage, ob der potenzielle Eingreifer sich irgendwelche Situationen am Markt vielleicht zunutze gemacht hat, dass das Produkt auch für den geschützten Einsatzzweck zum Einsatz kommt.

00:28:20: Also theoretisch auch auf Situationen, wo der Vertreiber selbst gar keine eigenen Herrichtungsmaßnahmen gesetzt hat,

00:28:28: sondern sich nur quasi andere Umstände zunutze macht oder die Augen davor verschließt vor Verschreibungspraxen, Praxisen der Ärzte.

00:28:39: Das heißt, das dehnt so ein bisschen den Bereich aus, wo ein Patentinhaber auch in solchen Situationen auf Verletzung klagen kann

00:28:49: und wo sozusagen die Haftung auch mit einer indirekteren Herrichtung möglich ist.

00:28:55: Das war die Grundlage und interessant natürlich die Frage, wie das UPC sich hier positionieren wird,

00:29:01: zumal, wie du richtig gesagt hast, hier deutsche Richter beteiligt waren, nämlich zwei,

00:29:06: und das Ganze auch in der Lokalkammer Düsseldorf sich abgespielt hat,

00:29:10: also genau an der Stelle, wo auch die herrichtungsfreie Haftung ihren Ursprung hatte in Deutschland.

00:29:17: Das einheitliche Patentgericht hat sich hier lustigerweise für einen eigenen Weg entschieden.

00:29:23: Also es hat sich bemüht, nicht diese Zweiteilung vorzunehmen, sondern hat einen ganz eigenen Ansatz kreiert.

00:29:31: Und zwar ist der zweigliedrig und betrifft objektive und subjektive Kriterien.

00:29:38: Konkret war die Entscheidung so, dass das UPC gesagt hat, dass für die Feststellung einer Verletzung eines Anspruchs auf eine zweite medizinische Indikation

00:29:48: der mutmaßliche Verletzer das Produkt so anbieten oder in Verkehr bringen muss,

00:29:53: dass es zu der beanspruchten therapeutischen Verwendung führt oder führen kann.

00:29:58: Das ist so quasi die objektive Seite, die nachgewiesen werden muss.

00:30:03: Und weiter hat das UPC gefordert, dass der mutmaßliche Verletzer weiß

00:30:08: oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass diese eintritt.

00:30:12: Das heißt, das ist die subjektive Komponente, die eintreffen muss und die auch nachgewiesen werden muss.

00:30:19: Und zum Drüberstreuen hat der UPC auch noch gesagt, dass die Anforderungen an ein solches Verhalten nicht abstrakt definiert sein dürfen,

00:30:27: sondern die Feststellung erfordert eine Analyse aller relevanten Tatsachen und Umstände des betreffenden Patentanspruchs.

00:30:34: Also ist im Prinzip sehr einzelfallbezogen und muss zu Recht natürlich auf die Umstände des Einzelfalls abstellen.

00:30:45: Der UPC hat dann auch noch eine Guideline gegeben, welche Kriterien besonders zu berücksichtigen sind bei dieser allgemeinen Beurteilung und zwar vor allem der Umfang und die Bedeutung der tatsächlichen Benutzung des Eingriffsproduktes, der relevante Markt und auch die Umstände auf dem Markt, die praktisch vorliegen,

00:31:09: die Anteile von den Produkten am Markt und auch welche Maßnahmen der potenzielle Verletzer getroffen hat am Markt,

00:31:17: also zum Beispiel welche Werbemaßnahmen etc. hier seitens des Verletzers vorgenommen wurden,

00:31:24: um die verschreibenden Ärzte zum Beispiel zu beeinflussen und zu veranlassen,

00:31:30: dann das Produkt für den geschützten Zweck vielleicht einzusetzen.

00:31:34: Nachdem wir die Kriterien jetzt kennen, wie hat denn das Einheitliche Patentgericht diese Kriterien auf den vorliegenden Fall angewendet?

00:31:43: Genau, also das war der Test, de facto ein neuer Test, den der UPC hier aufgestellt hat, um die Frage der sinnfälligen Herrichtung zu beantworten.

00:31:54: Wie gesagt, dieser Test unterscheidet sich von dem zweigliedrigen Test in Deutschland und ist ein eigener Test nach eigenen Maßstäben.

00:32:02: Und umgelegt auf den vorliegenden Fall hat der UPC hier die Verletzung nicht gesehen.

00:32:11: Das heißt, das Produkt von Amgen wurde als nicht patentverletzend eingestuft und zwar aus mehreren Gründen bzw. mit mehreren Begründungen.

00:32:24: Eine erste Begründung war, dass diese Information, die in Punkt 5.1 enthalten war,

00:32:31: zwar grundsätzlich natürlich von Relevanz ist,

00:32:34: das heißt, das, was in einem Beipackzettel, in einer Fachinformation steht, ist natürlich zu berücksichtigen.

00:32:40: In diesem Fall war es aber so, dass diese Informationen, diese pharmakokinetischen Daten,

00:32:47: die dort gestanden sind, keine ausreichende Veranlassung gegeben haben,

00:32:51: dass der Arzt es tatsächlich aus diesen Gründen verschreiben würde.

00:32:56: Es hat ja auch eine Menge an Expertengutachten gegeben,

00:33:00: die anscheinend da schon einen maßgeblichen Einfluss gehabt haben.

00:33:04: Also das heißt, hier hat Amgen eine Reihe von Gutachten von renommierten Ärzten vorgelegt,

00:33:10: um zu zeigen, dass die Ärzte hier in keiner Weise das Präparat

00:33:17: für die Senkung des Lipoprotein-A-Spiegels eingesetzt hätten.

00:33:22: Zweitens, das war eine unabhängige Begründung, ist es Regeneron auch nicht gelungen nachzuweisen, durch tatsächliche Beweise, dass es hier Verschreibungen gegeben hat.

00:33:36: Das war nämlich ein Punkt, den das UPC tatsächlich hätte sehen wollen offensichtlich, nämlich eine tatsächliche Verschreibungspraxis, Nachweise für Ärzte, die dieses Produkt zur geschützten Indikation, nämlich zur Senkung des Lipoprotein-A-Spiegels verschrieben hätten.

00:33:52: Das ist nicht gelungen und es ist auch nicht gelungen nachzuweisen, dass es hier eine manifeste Befürchtung gegeben hätte, dass dieses Präparat off-label für die geschützte Indikation verschrieben wird.

00:34:07: All das konnte Regeneron hier nicht nachweisen, beziehungsweise ist es nicht gelungen, das UPC davon zu überzeugen.

00:34:18: Es hat noch einen dritten Strang der Begründung gegeben, und zwar ist Regeneron auch nicht gelungen zu zeigen,

00:34:26: dass Amgen bewusst war, dass ihr Produkt, also das Eingriffsprodukt Repatha, tatsächlich verwendet wird, um die Lipoprotein-A-Werte zu senken.

00:34:40: Das heißt, es hat hier eine ganze Reihe von Begründungen gegeben, objektive und subjektive,

00:34:47: die dann dazu geführt haben, dass am Ende des Tages die Entscheidung so ausgegangen ist,

00:34:53: dass eben keine Verletzung gesehen wurde.

00:34:57: Das heißt, wenn ich die Dogmatik vom Einheitlichen Patentgericht richtig verstehe,

00:35:00: dann müssen sowohl objektive als auch subjektive Gründe vorliegen,

00:35:05: damit eine solche Verletzung eines Indikationsmerkmals vorliegt.

00:35:10: Dann haben wir die ersten beiden Gründe, die du genannt hast, waren objektive Gründe. Kannst du die nochmal kurz darstellen?

00:35:17: Richtig. Amgen hat hier das Produkt nicht so angeboten bzw. in Verkehr gebracht, dass es tatsächlich zu dieser therapeutischen Verwendung der Senkung des Lipoprotein-A-Spiegels führt bzw. führen kann.

00:35:34: Und die subjektive Seite, war dann offenbar das nicht gezeigt werden konnte, dass Amgen das bewusst war.

00:35:41: Richtig, das heißt, die subjektive Seite war, dass Amgen es weder gewusst hat und auch nicht hätte wissen müssen, dass es am Markt eine solche Verschreibungspraxis gibt.

00:35:55: Das ist so ein bisschen auch die Schiene von der herrichtungsfreien Haftung aus Deutschland,

00:36:02: wo man sich auch Dinge zurechnen lassen muss, die das tatsächliche Marktgeschehen zum Beispiel betreffen.

00:36:09: Und wenn man davor treuwidrig die Augen verschließt, dann kann man daraus keinen Vorteil genießen als mutmaßlicher Verletzer.

00:36:16: Aber das war eben genau hier auch der subjektive Grund.

00:36:20: Okay, dann stellen wir also fest, wenn ich das alles nicht nachweisen kann,

00:36:24: dann werde ich beim Einheitlichen Europäischen Patentgericht meine Ansprüche nicht durchsetzen können.

00:36:31: Am Ende der Folge darf ich dich nochmal kurz bitten,

00:36:33: deine wesentlichen Erkenntnisse aus dem Fall nochmal zusammenzufassen,

00:36:37: vor allem, was man mitnehmen sollte, wenn man vor dem UPC so einen Fall führt.

00:36:44: Die wesentlichen Erkenntnisse wären, dass grundsätzlich einmal Second Medical Use Claims nicht anders behandelt werden,

00:36:53: als wie wir es gewohnt sind beim Europäischen Patentamt.

00:36:56: Das heißt, es gibt sie, sie sind zulässig, sie gelten auch für Spielarten der Verwendung,

00:37:06: wie spezielle Patientengruppen und vermutlich auch für Dosierungsanleitungen.

00:37:10: Das heißt, hier dürfte sich beim UPC einmal nichts ändern.

00:37:14: Das zweite Take-away wäre, wenn es um die Verletzung eines Medical Use Claims geht, müssen objektive Kriterien erfüllt sein und zwar muss der Verletzer das Produkt so anbieten oder in Verkehr bringen, dass es zu dieser geschützten Verwendung tatsächlich führt oder führen kann.

00:37:38: Das ist die objektive Seite. Und zweitens muss als subjektive Komponente der Verletzer wissen, dass diese Verwendung eintritt.

00:37:48: Das dritte Take-away ist, dass man im Lichte dieses Tests und vor allem auch im Lichte des UPC-Verfahrens,

00:37:57: das ja sehr frontlastig ist, seine Hausaufgaben als Kläger machen muss und Beweismittel rechtzeitig auch einreichen muss,

00:38:07: um diese Tatsachen tatsächlich zu beweisen, auf die es ankommt.

00:38:12: Also im konkreten Fall hat man ein bisschen den Eindruck, dass Regeneron diese Beweismittel, auf die es eigentlich angekommen wäre, entweder nicht hatte oder nicht eingereicht hat.

00:38:22: Das heißt, da ist Regeneron ein bisschen auf den Kopf gefallen, dass die Beweismittel einfach nicht im Verfahren waren, um diese objektiven und subjektiven Kriterien ausreichend nachzuweisen.

00:38:37: Das war also ein erster Blick in die Durchsetzung von Medical Use Claims beim Einheitlichen Europäischen Patentgericht.

00:38:43: Die Entscheidung ist im Mai 2025 ergangen und ich gehe davon aus, wir werden den Fall weiter im Auge behalten.

00:38:50: Typischerweise wird die Beschwerdeentscheidung etwa ein Jahr auf sich warten lassen.

00:38:55: Und ich hoffe, lieber Andreas, dass wir uns dann noch einmal unterhalten und den Fall des Berufungsgerichts dann näher diskutieren.

00:39:02: Vorerst einmal vielen Dank, Andreas, für die spannende Analyse und Einordnung dieser wichtigen Entscheidung.

00:39:08: Ich hoffe, Sie konnten aus dieser Folge etwas für Ihre eigene Praxis mitnehmen.

00:39:13: Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freuen wir uns, wenn Sie den IP-Courses-Podcast abonnieren

00:39:18: und gerne auch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen teilen, die sich für den gewerblichen Rechtsschutz interessieren.

00:39:27: Das war ein IP-Courses-Podcast.

00:39:30: Für Feedback schreiben Sie uns an podcast@ipcourses.org, abonnieren Sie den Podcast und entdecken Sie weitere Informationen und Kursangebote auf www.ipcourses.org.

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