G 1/19 - "Fußgängersimulation" - Vorlagefragen
Shownotes
In dieser Folge sprechen Gerd Hübscher und Michael Stadler über die Entscheidung G 1/19 der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts aus dem Jahr 2021, die auf einer Beschwerde gegen die Zurückweisung der Patentanmeldung beruht. Diese Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage ob computerimplementierte Simulationen als solche beansprucht werden können und ob eine solche Simulation eine technische Aufgabe lösen kann.
Erfindung
Die dem Vorlagefall zugrunde liegende Erfindung betrifft eine computerimplementierte Simulation von Personen in einem Gebäude bzw. einem abstrakten Gebäudemodell.
Vorlagefall
Die PCT Anmeldung stammt aus einer PCT Anmeldung mit Anmeldetag aus 2003 und trat 2005 in die europäische Phase ein. Die Anmeldung wurde 2013 von der Prüfungsabteilung aufgrund von mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen, unter anderem da der Anspruch sehr abstrakt formuliert war und weder die Fußgänger als solche bezeichnet wurden, noch die Bewegungsprofile definiert waren, sodass kein technischer Effekt zuerkennbar war.
Im Beschwerdeverfahren wurde die Frage, ob eine abstrakte computergestützte Simulation einen technischen Effekt aufweist, der die erfinderische Tätigkeit begründen kann, diskutiert. Der Kammer fehlte jedoch unter anderem die direkte Verbindung der abstrakten Simulationen und der Realität, um einen solchen technischen Effekt zuzuerkennen.
Aufgrund von von der Beschwerdeführerin herangezogener Entscheidungen der Beschwerdekammern, die in vergleichbaren Fällen eine reine Simulation als einen technischen Effekt begründend angesehen hatten (T 1227/05 - Simulation einer elektrischen Schaltung zur Rauschminimierung | T 625/11 - Simulation von Steuerstäben in einem Atomreaktor), legte die Beschwerdekammer die folgenden Fragen zur Vorlage an die Großen Beschwerdekammer vor:
Vorlagefragen
Der Großen Beschwerdekammer wurden folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:
Kann - bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit - die computerimplementierte Simulation eines technischen Systems oder Verfahrens durch Erzeugung einer technischen Wirkung, die über die Implementierung der Simulation auf einem Computer hinausgeht, eine technische Aufgabe lösen, wenn die computerimplementierte Simulation als solche beansprucht wird?
Wenn die erste Frage bejaht wird, welches sind die maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung, ob eine computerimplementierte Simulation, die als solche beansprucht wird, eine technische Aufgabe löst? Ist es insbesondere eine hinreichende Bedingung, dass die Simulation zumindest teilweise auf technische Prinzipien gestützt wird, die dem simulierten System oder Verfahren zugrunde liegen?
Wie lauten die Antworten auf die erste und die zweite Frage, wenn die computerimplementierte Simulation als Teil eines Entwurfsverfahrens beansprucht wird, insbesondere für die Überprüfung eines Entwurfs?
weiterführende Links
Transkript anzeigen
00:00:03: Willkommen beim IP Courses-Podcast, dem Podcast für europäisches Patentrecht.
00:00:12: Heute möchten wir mal der Frage nachgehen, wie man eigentlich aus brennenden Gebäuden kommt.
00:00:17: Und es gibt auch viele Erfinder, die sich damit beschäftigt haben, nämlich mit der Simulation
00:00:21: von Fußgängern von Personen in Gebäuden und ob die im Brandfall rechtzeitig flüchten können.
00:00:28: Ein wunderbares Feld für computerimplementierte Erfindungen.
00:00:32: Mein Name ist Gerhard Hübscher, bei mir ist heute Michael Stadler, wir sind beide Patentanwälte und Michael, ich glaube, du hast heute die G1 aus 19 mitgebracht.
00:00:39: Genau, bei der G1 aus 19 geht es genau um die Frage, wie man Fußgänger in Gebäuden simuliert.
00:00:47: Und ich hoffe auch, dass, wenn es einmal brennt, dass sich irgendjemand Gedanken darüber gemacht hat, wie man denn aus dem Gebäude kommt.
00:00:54: Idealerweise beim Design, denn darum geht es bei dieser Erfindung.
00:00:58: Das klingt abstrakt nach einem Simulationsverfahren und gerade bei so computerimplementierten Erfindungen, Simulationen,
00:01:05: klingen bei mir alle Alarmglocken in Bezug auf Technizität.
00:01:08: Die Erfindung ist ja relativ alt, aus 2002 und damals war das ja noch ein relativ junges Feld eigentlich.
00:01:14: Ja, die Erfindung war eine der ersten Erfindungen in dem Bereich.
00:01:19: Also Fußgänger simuliert hat man schon länger, aber dass es jetzt wirklich Patentanmeldungen zu dem Thema gibt,
00:01:25: die da ein bisschen spezifischer in die Materie gehen, da war diese Erfindung eine der ersten.
00:01:32: Es ging eben um Designs von Gebäuden, die die Bewegung von Fußgängern mit berücksichtigen.
00:01:37: Im Wesentlichen geht es also darum, wie sich Fußgänger fortbewegen, zu simulieren, und zwar in einem virtuellen Gebäude.
00:01:43: Das heißt, bevor das Haus überhaupt noch gebaut wird.
00:01:46: Jetzt stammt die Anmeldung aus 2002.
00:01:49: Die Entscheidung, die wir heute diskutieren, ist die G 1/19.
00:01:52: Dazwischen liegen fast 20 Jahre. Was hat denn da so lange gedauert?
00:01:55: Ja, das Verfahren ist wirklich ein wenig verworren.
00:01:59: Priorität stammt aus den Vereinigten Staaten im Jahr 2002.
00:02:02: Danach gab es eine internationale Patentanmeldung.
00:02:05: Und im Jahr 2005 hat man dann die europäische Phase eingeleitet.
00:02:10: Die wollten also auch ein Patent beim Europäischen Patentamt.
00:02:14: Die Diskussion mit dem Europäischen Patentamt war länger.
00:02:17: Es gab zahlreiche Prüfungsbescheide Ende der Nullerjahre und es wurden auch einige Teilanmeldungen eingereicht.
00:02:24: Aus keiner dieser Anmeldungen wurde irgendetwas.
00:02:26: Was war denn das Problem dabei?
00:02:28: Das Problem dabei war, dass bei der Beurteilung der Anmeldung die Merkmale im Prinzip nicht berücksichtigt wurden,
00:02:37: die den eigentlichen Kern der Erfindung ausgemacht haben.
00:02:40: nämlich die Simulation der Fußgänger an sich.
00:02:44: Die Anmeldung ist dann 2005 in die europäische Phase eingetreten.
00:02:47: Die wollten also offenbar auch ein europäisches Patent.
00:02:50: Und während des Verfahrens gab es dann schon etliche Prüfungsbescheide.
00:02:54: Das heißt, das hat sich dann schon etwas in die Länge gezogen.
00:02:57: Und die Anmeldung selbst wurde dann nach einer mündlichen Verhandlung im Jahr 2013 zurückgewiesen.
00:03:03: Mangel ist erfinderischer Tätigkeit.
00:03:04: Das ist ja selbst für das Europäische Patentamt ein unheimlich langer Zeitraum.
00:03:08: Was hat denn das Prüfungsverfahren so in die Länge gezogen?
00:03:11: Das Problem war, dass die Technizität dieser simulierten Umgebung eigentlich ständig strittig war.
00:03:16: Ich meine, es ist klar, das Haus, das da simuliert wird, ist ein reales Gebäude und damit auch etwas Technisches.
00:03:23: Wenn es allerdings darum geht, das Haus jetzt zu simulieren, dann sieht die Prüfungsabteilung das simulierte Haus jetzt nicht unbedingt das technische Merkmal an.
00:03:30: Das war eben rein simuliert und in der echten Welt einfach nicht vorhanden.
00:03:34: Und dann gab es da eben noch das Simulationsprofil des Fußgängers.
00:03:37: Da war im Hauptantrag erster Instanz überhaupt noch nicht erwähnt, wie das Profil genau aussieht.
00:03:42: Daher wurde es auch hier vernachlässigt.
00:03:44: Mich schmerzt es ja als Softwareingenieur, Softwaretechniker, dass Software als solche überhaupt nicht technisch sein soll.
00:03:51: In anderen Bereichen, wie zum Beispiel in der Physik, wenn ich Teilchen in Öl simuliere,
00:03:56: dann ist überhaupt keine Frage, dass das ein physikalisch-deterministischer Anwendungsfall ist.
00:04:00: Warum jetzt nicht, wenn ich eine Simulation am Computer durchführe?
00:04:04: In dem Fall lag es an dem Patentanspruch, der eben relativ abstrakt beschrieben war.
00:04:09: Und hier ging es also tatsächlich nur darum, dass die Fußgängerbewegung nicht tatsächlich ausgeführt wird,
00:04:14: sondern die wird einfach nur abstrakt am Computer simuliert.
00:04:17: Noch dazu waren die Fußgänger nicht einmal als solche bezeichnet, sondern die waren als Entity deklariert.
00:04:22: Also was das konkret sein soll und wie das zur Technik beiträgt, das wissen wir anhand des Patentanspruchs einfach nicht.
00:04:29: Das heißt, der Anspruch war einfach zu abstrakt?
00:04:31: Ja, genau.
00:04:32: Was kann man tun, um das konkreter zu machen? Was hat die Anmelderin probiert?
00:04:35: Im ersten Hilfsantrag haben die dann probiert, physikalische Arbeit als Konzept in den Patentanspruch mit aufzunehmen
00:04:42: und haben dann eben gesagt, okay, wir haben bestimmte Schrittlängen,
00:04:45: die also bei der Berechnung einer physikalischen Arbeit verwendet werden
00:04:50: und im Endeffekt wurde dann entsprechend der physikalischen Arbeit minimiert oder optimiert.
00:04:55: Hat das was geholfen?
00:04:56: Nein, in dem Fall auch nicht, denn das Problem war, dass diese physikalische Arbeit,
00:05:01: um die es hier gegangen ist, eigentlich nur ein versteckter Kostenaufwand war
00:05:05: und mit der echten Physik eigentlich gar nichts zu tun hatte.
00:05:09: Es geht nämlich eher um die Unannehmlichkeit, die der Fußgänger aufgrund seines Umwegs
00:05:13: da in dieser virtuellen Umgebung hat, eben auf sich nimmt.
00:05:17: Und das war eigentlich keine physikalische Arbeit, sondern einfach nur eine Kostengröße,
00:05:21: die bei der Simulation dann eben zu minimieren war.
00:05:26: Das heißt, es reicht nicht, was nur physikalisch zu nennen.
00:05:29: Es muss schon mehr dahinter sein für Technizität.
00:05:31: Was gab es noch für Versuche?
00:05:33: Der nächste Versuch ist auch eine klassische Möglichkeit,
00:05:36: dass man die Technizität nicht durch die Simulation bekommen möchte,
00:05:40: sondern dadurch, dass man sagt, wir betreiben die Simulation auf dem Computer schneller.
00:05:46: Das ist eine andere Argumentation, die beim Europäischen Patentamt immer wieder gut geht.
00:05:50: Wir beschleunigen den Rechner, wir sparen Rechenzeit oder wir haben einen geringeren Ressourcenaufwand.
00:05:56: All das ist eben auch möglich.
00:05:58: Das Problem war nur das Europäische Patentamt, hat es dem Anmelder nicht geglaubt.
00:06:02: Im Gegenteil, dadurch, dass wir also den zusätzlichen Schritt im Patentanspruch haben,
00:06:07: bei dem es darum geht, ob der Schritt des Fußgängers tatsächlich durchführbar ist,
00:06:14: haben wir eigentlich mehr Aufwand anstatt von weniger Aufwand.
00:06:18: Das heißt, das wurde dann im Endeffekt auch als naheliegende Umsetzung gesehen
00:06:23: oder das Amt hat gemeint, es gibt ja keinen technischen Effekt.
00:06:26: Also das reine Behaupten von geringerem Ressourcenverbrauch hilft auch nicht,
00:06:31: wenn es nicht irgendwelche Merkmale gibt, die das auch glaubhaft machen.
00:06:34: Und das war dann nicht der Fall.
00:06:36: Aber was ich nicht ganz verstehe, das Problem an sich ist doch technisch.
00:06:39: Also wenn ich aus einem brennenden Gebäude heraus will, dann habe ich ja Hindernisse, irgendwie muss ich da rauskommen.
00:06:44: Ist nicht versucht worden, dass man das Gebäude insgesamt in den Anspruch hineinbringt?
00:06:48: Den Plan vielleicht?
00:06:50: Ja, selbstverständlich hat der Anmelder das auch probiert.
00:06:53: also von einer reinen Umgebung dann auf ein Gebäudemodell umgeschwenkt.
00:06:57: Und genau da lag auch das Problem.
00:06:59: Es geht nämlich um ein Modell und nicht um ein echtes Gebäude.
00:07:02: Und die Prüfungsabteilung hat dann eben auch knallhart gemeint,
00:07:07: das ist in der echten Welt nicht vorhanden.
00:07:10: Und deswegen kann darauf auch kein technischer Effekt gegründet werden.
00:07:14: Und im Endeffekt wurde es dann als naheliegend angesehen.
00:07:17: Das klingt nach einem Kampf auf verlorenen Posten.
00:07:19: Hat denn überhaupt irgendetwas geholfen?
00:07:22: Nein, also das war der letzte Hilfsantrag. Ich glaube, bei der Prüfungsabteilung waren die wirklich auf verlorenen Posten.
00:07:28: Die hätten denen nichts gegeben. Daher mussten die sich im Endeffekt auch gegen die Entscheidung beschweren.
00:07:35: Wie ist es in Beschwerde weitergegangen?
00:07:37: Ja, hier haben sich im Prinzip die gleichen Fragen wiedergestellt und auch die Beschwerdekammer hat ein bisschen gezweifelt,
00:07:43: ob das jetzt wirklich patentierbar sein soll oder nicht.
00:07:47: Der Anmelder hat im Prinzip wieder argumentiert, dass die Erkenntnis, dass bestimmte menschliche Verhaltensweisen durch Modelle beschrieben werden können, dass die technisch ist.
00:07:56: Nämlich es ging ja darum, die Bewegung von Fußgängermengen und die Mengen, die hier simuliert werden, die können ja im Prinzip auch in echt gemessen werden.
00:08:04: Zum Beispiel, wenn du die mit Videokameras filmst, kriegst du ja mit, wie die sich in echt bewegen.
00:08:08: Und auch einen technischen Effekt hat er es gegeben angesehen, weil ich eben mit der Simulation auch vorhersagen kann, wie sich die Menschenmenge im Endeffekt bewegt.
00:08:16: Das klingt im Wesentlichen noch immer nach der Argumentation aus der ersten Instanz.
00:08:20: Hat das die Kammer überzeugt?
00:08:21: Nein, auch die Kammer hat es nicht überzeugt.
00:08:24: Die hat sich das zwar ein bisschen differenzierter angeschaut,
00:08:25: im Endeffekt haben sie aber genauso gezweifelt.
00:08:28: Hier gab es wiederum die Diskussion,
00:08:30: wie ist es mit der Bewegung von Teilchen in Öl versus Fußgänger.
00:08:34: Die Kammer erkennt schon die Physik auch hinter den Fußgängersimulationen,
00:08:39: aber es hat nicht ausgereicht, dass die Kammer dahinter einen technischen Effekt gesehen hat.
00:08:43: Im Wesentlichen hat der Kammer gefehlt,
00:08:45: dieser direkte Link zur physikalischen Realität.
00:08:48: Das kriegst du zum Beispiel, wenn du das misst
00:08:51: oder wenn du zum Beispiel eine Kamera aufstellst und die Personen aufnimmst,
00:08:54: die vorbeigehen, dann hast du eine Messung in der echten Welt.
00:08:56: Und wenn du darauf basierend simulierst, dann würde das funktionieren.
00:09:01: Was unterscheidet denn jetzt nach Ansicht der Kammer
00:09:04: einen physikalischen Vorgang von einem technischen Effekt?
00:09:07: Ein physikalischer Vorgang ist einer,
00:09:09: den du im Prinzip auch auf dem Computer simulieren kannst.
00:09:12: Technischer Effekt ist etwas, was in der echten Welt passiert und was tatsächlich durch die Erfindung bewirkt wird.
00:09:18: Das heißt, wenn du etwas misst, zum Beispiel mit einer Kamera, dann treffen ja Lichtstraahlen auf die Kamera, die aus der echten Welt kommen und mit denen rechnest du weiter.
00:09:26: Das heißt, hier triffst du eine Aussage über die echte Welt und das ist genau dieses Direct Link, das die Kamera hier gefordert hat.
00:09:33: Bei unserem Gebäude war das gerade nicht der Fall.
00:09:35: Das Gebäude ist im Prinzip nur rein simuliert.
00:09:38: Das gibt es in echt nicht. Das steht nicht irgendwo, sondern das hat sich irgendwer ausgedacht und in das Computermodell reingespielt.
00:09:43: Also ein reines Luftschloss, wenn du so willst.
00:09:45: Da wir da keinen direkten Link auf ein reales Gebäude haben, hat es eben auch nicht gereicht, hier einen technischen Effekt geltend zu machen.
00:09:53: Aber es richtet sich doch diese Patentschrift an eine Fachperson.
00:09:56: Und für eine Fachperson ist es doch mehr oder weniger naheliegend, ob ich jetzt ein Gebäude nur simuliere oder ob das das reale Gebäude ist.
00:10:02: Also wenn die Simulation korrekt ist, dann habe ich doch genau die gleichen Aussagen, egal ob das die Simulation ist oder das reale Gebäude.
00:10:08: Das Problem ist, dass die Kammer hier sagt, was nicht im Patentanspruch steht, spielt eben auch nicht mit.
00:10:13: Und wenn man tatsächlich ein echtes Gebäude simulieren würde und das Gebäude als Modell in die Simulation importieren würde,
00:10:21: vielleicht sogar noch die echten Fußgänger aus dem Gebäude über Kamera in das Computermodell reinspielt,
00:10:27: ja dann hast du sicherlich eine Simulation, die einen direkten Link zur physikalischen Realität hätte,
00:10:33: die damit auch einen technischen Effekt hat.
00:10:35: So, mit dem rein virtuellen Haus, mit den rein virtuellen Fußgängern,
00:10:39: habe ich das Problem, dass das keinen technischen Effekt mit sich bringt und damit eben auch nicht erfinderisch ist.
00:10:45: Jetzt war das offensichtlich nicht im Anspruch.
00:10:47: Die Beschwerdekammer hätte an der Stelle einfach zurückweisen können und die Sache wäre abgeschlossen gewesen.
00:10:52: Jetzt gibt es aber diese G-Entscheidung. Was ist passiert?
00:10:54: Die große Beschwerdekammer wurde dann von der Anmelderin und Beschwerdeführerin auch noch damit konfrontiert, dass in früheren Entscheidungen einzelne Beschwerdekammern so Simulationsmerkmalen schon einen technischen Effekt zuerkannt hatten. Das heißt, in einigen Fällen haben Beschwerdekammern gesagt, hier wird simuliert und der Umstand, dass da etwas simuliert wird, was in der echten Welt stattfindet, das ist technisch.
00:11:17: Was waren das zum Beispiel für Fälle?
00:11:19: Es gab eine Entscheidung, die die Simulation eines Schaltkreises betraf. Das ist die Entscheidung T 1227/05, eine Anmeldung von Infineon. Es ging dabei um eine ressourcensparende numerische Simulation einer elektrischen Schaltung und das Problem ist, diese elektrische Schaltung rauscht, so wie auch unser Mikrofon zum Beispiel.
00:11:39: Die Ansprüche betreffen die numerische Simulation dieser Schaltung, die wird modelliert, also auch hier habe ich die echte Schaltung, die im Computer repräsentiert wird und dann habe ich ein Eingangssignal, also zum Beispiel die Stimme, die man ins Mikrofon spricht, die dann weiterverarbeitet wird und das Rauschen gebe ich auch vor, also wie stark diese Bauteile rauschen, zum Beispiel aufgrund der Temperatur und dann kann ich mir ausrechnen bzw. vorhersagen, was die Auswirkung davon ist und wie verrauscht das Signal tatsächlich daherkommt.
00:12:08: Das klingt aber wie unsere Gebäudesimulation. Also ich habe ein reales Ding, das übertrage ich an ein Computermodell mit gewissen Parametern, simuliere es dort und habe irgendein Ergebnis.
00:12:17: Deswegen hat es die Anmelderin und Beschwerdeführerin auch ganz genauso vorgebracht.
00:12:21: Gab es noch irgendwelche Beispiele, die für Sie gesprochen haben?
00:12:23: Es gab da noch eine andere Entscheidung einer Beschwerdekammer zur Simulation eines Kernreaktors.
00:12:28: Da ging es konkret darum, Betriebsparameter festzulegen, damit der Kernreaktor-Operator das Kernkraftwerk nicht zerstören kann, während das gerade betrieben wird.
00:12:37: Ich übertrage den realen Reaktor in ein Simulationsmodell, berechne dort Parameter und verwende dann die Parameter, um den realen Reaktor wieder zu steuern.
00:12:47: Genau, du verwendest das Ergebnis der Computersimulation einfach dafür, einen Maximalwert für den Betriebsparameter festzulegen.
00:12:55: Zum Beispiel, wie weit du die Steuerstäbe aus dem Reaktor rausziehen kannst, damit der nicht überhitzt.
00:12:59: Und soweit ich recherchiert habe, gibt es da mehrere Möglichkeiten,
00:13:03: aber die Position der Steuerstäbe, die die Kettenreaktion steuern, ist der wesentliche Punkt.
00:13:09: Aber dann verwende ich das Ergebnis ja in einem technischen Prozess.
00:13:12: War das bei der Computersimulation auch so?
00:13:14: Bei der Schaltungssimulation, entschuldige.
00:13:16: Bei der Schaltungssimulation ging es dann darum, dass basierend auf der fertigen Schaltungssimulation
00:13:22: die Schaltung, so wie sie simuliert wurde und optimiert wurde, dann eben auch gebaut wird.
00:13:26: da war das Simulationsergebnis noch relativ weit vom Endprodukt entfernt.
00:13:32: Hier haben wir tatsächlich eine andere Situation, die es meiner Ansicht nach eher technisch macht.
00:13:36: Also da bin ich persönlich eher dafür, dem technischen Charakter zuzusprechen.
00:13:41: Nämlich, dass die Ergebnisse, die aus der Simulation rauskommen,
00:13:44: wenn du die direkt in den Kernreaktor fütterst, dann haben die da drinnen sofort eine Bedeutung.
00:13:49: Und der Kernreaktor-Operator kriegt dann praktisch eine Beschränkung.
00:13:53: Weiter darfst du den Steuerstab nicht stellen, weil sonst überhitzt du den Reaktor.
00:13:58: Das heißt, hier habe ich mit dem Simulationsergebnis eine ausdrückliche Handlungsanweisung,
00:14:03: wie mit dem umzugehen ist, nämlich als Grenzwert im Reaktor.
00:14:07: Was war denn dann die Bedeutung des Ergebnisses der Simulation in unserem Ausgangsfall?
00:14:11: Das war da völlig unklar im Ausgangsfall.
00:14:13: Also das, was aus der Fußgängersimulation rauskommt, ist einfach nur ein paar Fußgänger
00:14:18: und wie sie über die Zeit durch dieses virtuelle Gebäude durchwandern.
00:14:23: Das war alles. Also jetzt nicht eine Vorhersage, dass in einem bestimmten Bereich irgendwie zu viele Fußgänger sind oder Ähnliches,
00:14:30: sondern einfach nur, wie bewegen die sich durch. Also eine rein wissenschaftliche Vorhersage darüber, wie die Leute durch das Gebäude gehen.
00:14:37: Das heißt, das waren einfach die wesentlichen Merkmale, die das im Ergebnis technisch gemacht hätten, nicht im Anspruch enthalten.
00:14:42: Das würde ich so sehen. Also wenn man den Anspruch mit dem Wissen von heute, was natürlich unklug, das nicht in den Anspruch zu schreiben.
00:14:48: Man kann nur darauf hinweisen, die Erfindung kommt aus 2002.
00:14:51: Damals war das alles andere als klar, dass das jetzt die genaue Dogmatik ist,
00:14:55: wie man den technischen Effekt beurteilt.
00:14:58: Aber hätte man damals auch beschrieben, was man mit den Simulationsergebnissen macht,
00:15:02: hätte man sicher bessere Chancen gehabt, hier ein Patent zu bekommen.
00:15:06: Wie ist jetzt die Beschwerdekammer mit diesem Vergleich umgegangen?
00:15:08: Welche Fragestellungen hat sich im Vergleich mit der vermeintlich abweichenden Rechtsprechung
00:15:13: für die Beschwerdekammer ergeben und was hat sie dann an die große Beschwerdekammer vorgelegt?
00:15:17: Es gab mehrere Fragen.
00:15:18: Bei der ersten Frage ging es um die erfinderische Tätigkeit und wie eine computerimplementierte Simulation da beitragen kann.
00:15:25: Die muss ja ein technisches Problem lösen und einen technischen Effekt erzeugen.
00:15:29: Und die Frage, die sich da stellt, ist, kann eine Computersimulation sowas überhaupt bewirken?
00:15:34: Da sind wir also genau bei dem Unterschied zu der bisherigen Rechtsprechung in Bezug auf die Schaltungssimulation und den Kernreaktor.
00:15:40: Genau. Jetzt verzweigt sich das Ganze ein wenig.
00:15:43: Falls die erste Frage nämlich bejaht wird, also so ein technischer Effekt tatsächlich vorhanden ist,
00:15:48: stellt sich dann die Frage, ja was sind denn eigentlich die relevanten Kriterien dafür,
00:15:52: dass diese Simulation ein technisches Problem löst bzw. einen technischen Effekt bewirkt.
00:15:58: Noch konkreter ging es um die Frage, wie schaut es denn eigentlich aus,
00:16:02: wenn die Simulation ein System betrifft, dem ein technischer Effekt zugrunde liegt?
00:16:08: Das klingt schon fast so danach, als würde sich die Beschwerdekammer die eigene Entscheidung entscheiden lassen wollen von der Großen Beschwerdekammer.
00:16:13: Ich glaube, das hätten Sie gern. Gerade die Frage nach dem Kriterienkatalog, welche Kriterien sind es denn, das zu entscheiden, die ist schon sehr allgemein. Die letzte Frage ist dann eine kleine Modifikation der ersten Fragen, nämlich macht es einen Unterschied, ob die Simulation im Entwurfsprozess einen Teil darstellt? Vor allem macht es einen Unterschied, ob man mit der Simulation einen Entwurf verifiziert?
00:16:37: Also ich bin schon sehr gespannt, auf welche dieser Fragen wir dann wirklich eine konkrete Antwort bekommen werden.
00:16:42: Aber das schauen wir uns in der nächsten Folge des IP Courses-Podcasts an.
00:16:46: Ich bin jedenfalls gespannt. Michael, du hast es ja schon angeschaut.
00:16:49: Aber wir sehen uns, wir hören uns nächste Woche wieder.
00:16:52: Dankeschön und bis zum nächsten Mal.
00:16:58: Das war ein IP Courses-Podcast.
00:17:02: Für Feedback schreiben Sie uns an podcast@ipcourses.org, abonnieren Sie den Podcast und entdecken Sie weitere Informationen und Kursangebote auf www.ipcourses.org.
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