T 1224/24 - E-Vape (fehlende Zeichnungen / Beschwerde gegen Erteilungsbeschluss)
Shownotes
In dieser Folge sprechen Michael Stadler und Lukas Fleischer über die Entscheidung T 1224/24 einer Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts aus dem Jahr 2025, die eine erfolgreiche Beschwerde gegen den Erteilungsbeschluss einer Prüfungsabteilung des EPA zum Gegenstand hat.
In Folge 5 der zweiten Staffel haben die beiden Podcaster schon einmal eine nicht erfolgreiche Beschwerde gegen einen Erteilungsbeschluss besprochen.
Erfindung
Bei der dem Patent zugrunde liegenden Erfindung handelt es sich um ein Gerät zur Erzeugung von Aerosolen, also einem E-Vape. Beansprucht wird dabei eine Kontrolleinheit, welche die Energiezufuhr von einer Energiequelle zur Last steuert und dabei einen von zwei Werten heranzieht.
Prüfungsverfahren
Es handelt sich um eine Euro-PCT Anmeldung die auf einer japanischen internationalen Anmeldung basiert. Die internationale Veröffentlichung umfasste 52 Seiten Zeichnungen. Beim Einleiten der europäischen Phase wurden vier geänderte Zeichnungen eingereicht, die als Seite 3/52, 28/52, 37/52 und 40/52 bezeichnet wurden.
Im ersten Prüfungsbescheid und in der Mitteilung über die Erteilungsabsicht wurden jedoch nur die Zeichnungen 1/4 bis 4/4 angeführt, wobei im Druckexemplar ausschließlich die vier geänderten Seiten Zeichnungen enthalten waren. Da die Anmelderin die Erteilungsgebühr entrichtete und die Übersetzung der Patentansprüche einreichte, wurde die Entscheidung über die Erteilung eines europäischen Patents (Erteilungsbeschluss) basierend auf dem Druckexemplar mit vier Seiten Zeichnungen gefasst.
Beschwerdeverfahren
Die Patentinhaber wurde rechtzeitig auf den Fehler aufmerksam, legte fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung ein und reichte eine Beschwerdebegründung ein. Die Hauptargumente der Beschwerdeführerin waren
- Verstoß gegen die Pflicht zur Begründung der Entscheidung gemäß R 111 (2) EPÜ, da nicht begründet wurde, weshalb 48 Seiten Zeichnungen nicht erteilt wurden;
- Verletzung des rechtlichen Gehörs gem Art 113 (1) EPÜ;
- Verstoß gegen Art 113 (2) EPÜ, da der Anmelder der erteilten Fassung bzw. der Weglassung der Zeichnungen nie zugestimmt hatte.
Entscheidung
Kernpunkt der Entscheidung war die Feststellung der Kammer, dass die der Anmelderin übermittelte Fassung des Druckexemplars nicht dem Text entsprach, den die Prüfungsabteilung tatsächlich erteilen wollte (also dem wahren Willen der Prüfungsabteilung) und alle 52 Seiten Zeichnungen umfasst. Die Beschwerdekammer begründete dies mit einer Reihe an objektiv festgestellten Kriterien:
- die Anmelderin hatte die entsprechenden Seitengebühren entrichtet;
- es wurden von der Anmelderin nie Zeichnungen aktiv zurückgezogen, nur geänderte eingereicht;
- die Prüfungsabteilung begründete nicht, weshalb 48 Seiten Zeichnungen nicht zum Verfahren zugelassen wurden;
- in der Erwiderung auf den Prüfungsbescheid wurde von der Anmelderin mitgeteilt, dass alle anhängigen Anmeldeunterlagen aufrecht erhalten werden.
Aufgrund dieser identifizierten objektiven Gründe wurde entschieden, dass die Zustimmungsfiktion nach R 71 (5) EPÜ nicht durch die Entrichtung der Gebühren und Einreichung der Übersetzungen ausgelöst wurde und der Beschwerde wurde in diesem Fall stattgegeben.
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Transkript anzeigen
00:00:03: Willkommen beim IP Courses-Podcast, dem Podcast für europäisches Patentrecht.
00:00:11: Stellen Sie sich vor, Sie reichen eine europäische Patentanmeldung ein mit 52 Seiten Zeichnungen,
00:00:17: ein sehr langes Dokument und das Patentamt erteilt von Ihren Zeichnungen genau vier Seiten. Der Rest
00:00:23: ist unter den Tisch gefallen, ist jedenfalls im erteilten Dokument nicht drinnen gewesen.
00:00:28: Die Frage, die sich da stellt, ist, hat sich der Anmelder das selbst zuzuschreiben oder kann man sich dagegen irgendwie zur Wehr setzen?
00:00:36: Vor einigen Monaten, und zwar in Folge 5 unserer zweiten Staffel, haben wir uns mit einer Entscheidung beschäftigt, wo das schon mal jemand versucht hat.
00:00:44: Damals hat es nicht funktioniert und auch damals hatte ich Lukas Fleischer zu Gast und den haben wir auch diesmal wieder zu Gast.
00:00:50: Hallo Lukas.
00:00:51: Hallo Michael.
00:00:52: Wie hat es denn diesmal funktioniert?
00:00:54: In diesem Fall habe ich gute Nachrichten für den Patentinhaber.
00:00:57: Das hat funktioniert und die Beschwerde gegen den Erteilungsbeschluss war erfolgreich.
00:01:02: Wir werden uns dann in einer weiteren Folge anschauen, warum das jetzt hier funktioniert hat.
00:01:06: Genau, aber bevor wir uns in die Details dieser Entscheidung versteigen,
00:01:12: schauen wir uns vielleicht noch kurz an, welche Erfindung war es denn,
00:01:15: wo das europäische Patentamt 48 Seiten einfach so verschwinden hat lassen?
00:01:21: Ja, es ist tatsächlich in der weiteren Folgen nicht besonders relevant, um was es gegangen ist,
00:01:26: Aber das technische Gebiet, das ist uns in letzter Zeit schon öfter begegnet,
00:01:29: das handelt sich um elektrische Raucheinrichtungen, also so ein Vape-Gerät, ein Gerät zum Erzeugen von Aerosolen.
00:01:36: Und die Erfindung zielt darauf ab, wie die Last gesteuert wird und der Strom, der dann diesem Heizelement zugeführt wird.
00:01:44: Gut, ich sehe aus der Entscheidung heraus, dafür braucht man offenbar 52 Seiten Figuren, um das zu beschreiben
00:01:51: und auch annähernd 100 Seiten an Beschreibung.
00:01:54: Kannst du uns vielleicht einmal kurz erzählen, wie ist denn das Anmeldeverfahren verlaufen
00:01:59: und hat sich das Europäische Patentamt in dem Prüfungsverfahren verhalten?
00:02:02: Die Europäische Patentanmeldung, um die es hier geht, die entstammt einer PCT-Anmeldung.
00:02:07: Und diese PCT-Anmeldung wurde in Japan eingereicht und vom Japanischen Patentamt geprüft.
00:02:15: Beim Eintritt in die europäische Phase wurde dann eine englische Übersetzung eingereicht,
00:02:20: der Beschreibung und geändert der Ansprüche.
00:02:22: Und was ist mit den Zeichnungen passiert?
00:02:24: Ja, hier ist die Ursache allen Übels zu finden.
00:02:29: Der Anmelder hat vier geänderte Figuren eingereicht.
00:02:34: Also vier von den 52 Seiten Figuren wurden neu eingereicht mit Änderungen.
00:02:40: Und was hat das Europäische Patentamt dann aufgrund dieser Änderung gemacht?
00:02:44: Das Europäische Patentamt scheint davon ausgegangen zu sein,
00:02:48: dass diese vier neuen Seiten Figuren die einzigen vier Seiten Figuren sind,
00:02:53: die im Verfahren geführt werden sollen.
00:02:55: Und obwohl diese Seiten mit den korrekten Seitennummern bezeichnet wurden,
00:02:59: also zum Beispiel 3 von 52,
00:03:01: hat das Europäische Patentamt dann im weiteren Verfahren gesagt,
00:03:04: das sind die Seiten 1 von 4 bis 4 von 4.
00:03:09: Was hat denn der Anmelder eigentlich im Sinn gehabt?
00:03:11: Hat der irgendeine Erklärung dazu abgegeben, was die Seiten jetzt bedeuten sollen?
00:03:16: Überhaupt nichts.
00:03:17: Der hat also geändert die Figuren eingereicht,
00:03:21: hat aber auch die Seitengebühren für alle Seiten entrichtet, also für die Übersetzung, plus die 52 Seiten Figuren.
00:03:28: Das Europäische Patentamt hat es willigend gegengenommen.
00:03:31: So ist es.
00:03:33: Wie ist das Verfahren dann weiter abgelaufen?
00:03:36: Ja, es gab einen Prüfungsbescheid und in diesem Prüfungsbescheid waren auch schon die Figuren 1 von 4 bis 4 von 4 fälschlicherweise angegeben.
00:03:46: In weiterer Folge wurde dann aber eine Mitteilung einer Regel 71 (3) EPÜ,
00:03:51: also eine Mitteilung über die Erteilungsabsicht herausgegeben.
00:03:55: Bei dieser Mitteilung nach Regel 71 (3P EPÜ ist doch ein Druckexemplar dabei.
00:03:58: Das heißt, es müsste doch zu dem Zeitpunkt für jeden sichtbar gewesen sein,
00:04:03: dass bei dieser Patentanmeldung, bei dem zu erteilenden Patent, nur vier Zeichnungen dabei sind.
00:04:10: Ja, eigentlich schon. Es steht sowohl in der Mitteilung einer Regel 71 (3) EPÜ drauf,
00:04:14: dass da nur auf vier Seiten Beschreibungen beigeschlossen sind
00:04:17: und auch im Druckexemplar vier Seiten Zeichnungen enthalten sind,
00:04:21: die eben mit 3 von 52 bis 40 von 52 bezeichnet sind.
00:04:26: Was hat denn dann unser Anmelder getan?
00:04:29: Ja, unserem Anmelder ist das zu diesem Zeitpunkt leider nicht aufgefallen,
00:04:33: weil wir bei der letzten Diskussion eine Entscheidung besprochen haben,
00:04:35: wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gewesen, das zu bekämpfen
00:04:38: und der Prüfungsabteilung mitzuteilen, dass hier ein Fehler unterlaufen ist.
00:04:42: Ist leider nicht passiert.
00:04:45: Tatsächlich hat der Anmelder jetzt die Übersetzung der Ansprüche eingereicht und die Erteilungsgebühr eingezahlt.
00:04:50: Damit müsste ja eigentlich das Europäische Patentamt jetzt das Patent in der Fassung erteilen, wie es im Druckexemplar drinsteht.
00:04:58: Ganz genau so ist es passiert, ist es dann der Erteilungsbeschluss ergangen am 3. Mai 2024,
00:05:03: der eben auf Basis dieses Druckexemplars unter Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ ergangen ist.
00:05:09: Geht davon aus, der Patentinhaber wird mit der erteilten Fassung jetzt nicht ganz zufrieden sein,
00:05:14: zumal ihm da 48 Seiten seiner Zeichnungen aus dem Dokument rausgestrichen worden sind.
00:05:21: Was kann er dagegen tun?
00:05:24: Der entscheidende Punkt ist sicher der, dass dem Patentinhaber überhaupt aufgefallen ist rechtzeitig,
00:05:28: dass es einen Fehler gibt und dass das erteilte Patent nicht dem entspricht, was er eigentlich haben wollte.
00:05:34: Und um das zu bekämpfen, hat er jetzt innerhalb der Beschwerdefrist Beschwerde gegen den Erteilungsbeschluss eingelegt.
00:05:39: und innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist dann auch noch die Beschwerdebegründung eingereicht.
00:05:43: Wie begründet man denn so eine Beschwerde?
00:05:45: Der Hauptpunkt der Begründung war der, dass das Europäische Patentamt ein Patent erteilt hat,
00:05:51: mit dem der Patentinhaber gar nicht einverstanden war.
00:05:54: Also eine Fassung, die der Patentinhaber gar nie haben wollte.
00:05:59: Nach Regel 71 (3) EPÜ haben wir ja grundsätzlich die Fiktion,
00:06:03: dass wann auch immer der Patentinhaber dem Druckexemplar zustimmt
00:06:07: und die Übersetzungen vorliegt und die Veröffentlichungsgebühr bezahlt,
00:06:10: dass dann ja automatisch auch seine Zustimmung fingiert wird,
00:06:14: also dass die als gegeben angesehen wird.
00:06:17: Das ist grundsätzlich richtig.
00:06:19: Es gibt diese Regel 71 Absatz 5, die genau diese Zustimmungsfiktion definiert.
00:06:24: Und ein entscheidender Punkt in seiner Begründung ist,
00:06:27: warum das in diesem Fall nicht passiert ist oder warum das nicht zutreffend war.
00:06:34: Der Patentinhaber hat mehrere Argumente vorgebracht, warum das nicht rechtens war, dass dieses Patent so erteilt ist.
00:06:41: Und zwar einmal hat er gesagt, dass die Entscheidung des europäischen Patentamts,
00:06:47: das Patent in diesem nicht beantragten Umfang zu erteilen,
00:06:51: dass die nicht nach Regel 111 Absatz 2 EPÜ entsprechend begründet ist,
00:06:55: weil es ja von dem abweicht, die erteilte Fassung von dem, was eigentlich beantragt wurde.
00:07:00: Den zweiten Punkt, den er aufgeworfen hat, war, dass er in seinem rechtlichen Gehör verletzt worden ist, weil er keine Möglichkeit hatte, dagegen zu argumentieren.
00:07:07: Und der wahrscheinlich wichtigste Punkt war der, dass er gesagt hat, dass es nie eine Zustimmung gegeben hat vom Patentinhaber zur erteilten Fassung und dass damit diese Entscheidung gegen Artikel 113 Absatz 2 EPÜ verstößt.
00:07:21: Ich finde es ein wenig eigenartig, zumal ich auch die anderen Entscheidungen in diesen konkreten Konstellationen kenne,
00:07:28: Weil grundsätzlich haben wir ja die Zustimmungsfiktion der Regel 71 (5) EPÜ, die ja genau sagt, wann immer der Anmelder die Übersetzung vorlegt und die Veröffentlichungsgebühr bezahlt, dann stimmt er ja implizit der Fassung zu, die ihm das Europäische Patentamt hier vorgelegt hat, als Druckexemplar.
00:07:47: Oder warum glaubt der Patentinhaber in der Situation, dass das jetzt für ihn nicht zutrifft?
00:07:54: Es gibt zwei Entscheidungen der Beschwerdekammer, nämlich die Entscheidung T 2081/16 und die Entscheidung T 1003/19, die der Patentinhaber in seiner Begründung angeführt hat.
00:08:08: Der Sukkus aus diesen beiden Entscheidungen ist der, dass diese Zustimmungsfiktion nach Regel 71 (5) EPÜ nicht dann eintreten kann, wenn die Fassung, die dem Anmelder bemittelt worden ist, nicht die Fassung ist, die die Prüfungsabteilung eigentlich erteilen wollte.
00:08:25: Okay, das heißt also, die zur Erteilung vorgesehene Fassung muss also notwendigerweise die sein, die die Prüfungsabteilung auch wollte.
00:08:35: Und wenn sich die Prüfungsabteilung da vertan hat oder man objektiv verstehen hat können, dass die Prüfungsabteilung hier einen Fehler gemacht hat,
00:08:44: dann gibt es auch keine echte Regel 71 (3) EPÜ und damit gibt es auch die Zustimmungsfiktion nicht.
00:08:50: Ganz genau. Also das Komplizierte ist eben diese Zustimmungsfiktion zu überwinden, weil ansonsten ist es genauso, wie du davor gesagt hast, nämlich dass der Anmelde zugestimmt hat der Fassung und damit, was liegt das pickt eigentlich.
00:09:04: Und über diese Hürde muss man drüber kommen und da hilft eben die Rechtsprechung, die eben sagt, es gibt einen offensichtlichen Widerspruch zwischen dem, was beantragt worden ist, dem, was die Prüfungserteilung machen wollte und dem, was tatsächlich passiert ist.
00:09:19: Wie kann man sich da so sicher sein, dass die Prüfungsabteilung in der Situation gerade das wollte und nicht das andere?
00:09:26: Also die Patentinhaberin argumentiert so, dass sie sagt, einmal hat sie die Gebühren gezahlt für alle diese Zeichnungen.
00:09:33: Sie hat nie beantragt, dass die Zeichnungen aus dem Verfahren entfernt werden sollen.
00:09:38: Auch die Prüfungsabteilung hat nie gesagt oder begründet, warum diese Figuren oder diese Zeichnungen aus dem Verfahren entfernt werden sollen.
00:09:45: Und damit hat sie sich auch nie äußern können dadurch.
00:09:47: Deswegen ist es quasi anzunehmen, dass die Prüfungsabteilung eigentlich wollte,
00:09:51: dass diese Figuren, so wie sie ursprünglich beantragt worden sind,
00:09:53: also die ursprünglichen 52, mit den vier ausgetauschten Seiten dann zur Erteilung kommen sollen,
00:09:58: weil es einfach im Verfahren nie diskutiert worden ist.
00:10:02: Okay, soweit also zur Beschwerde, wie sie unsere Beschwerdeführerin eingereicht hat.
00:10:08: Jetzt ist das Beschwerdeverfahren ja losgegangen und wie hat die Beschwerdekammer reagiert?
00:10:14: Ja, es gab eine vorläufige Meinung der Beschwerdekammer.
00:10:19: In der wurde eigentlich mitgeteilt, dass dem Antrag wohl stattgegeben wird.
00:10:23: Der einzige Punkt, den die Beschwerdekammer nicht als gewährbar gesehen hat,
00:10:27: war der Antrag auf Gebührenrückerstattung wegen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers.
00:10:33: Das ist vielleicht interessant, weil hier eben die Beschwerdekammer sich auf eine J-Entscheidung berufen hat,
00:10:39: die Entscheidung J 4/09, wo festgestellt worden ist,
00:10:42: dass wenn der Anmelder eigentlich viele Gelegenheiten gehabt hätte, diesen Fehler zu korrigieren,
00:10:47: bevor es zu diesem schweren Verfahrensmangel gekommen ist,
00:10:49: dann ist es trotz des schweren Verfahrensmangels nicht statthaft, dass er die Beschwerdegebühr rückerstattet bekommt.
00:10:55: In unserem Fall hätte er ja jede Gelegenheit dazu gehabt.
00:10:58: Also das hätte ihm ja zumindest nach dem ersten Prüfungsbescheid spätestens aber mit der Regel 71 (3) EPÜ eigentlich auffallen müssen.
00:11:06: Von daher ist es nicht ganz verkehrt, glaube ich, anzusehen, dass die Beschwerdekammer die Beschwerdegebühr jetzt nicht rückerstatten möchte.
00:11:12: Ganz genau so ist es und der Patentinhaber hat dann auch diesen Antrag zurückgezogen und damit ist die Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergangen, ohne mündliche Verhandlung.
00:11:21: Okay, wie ist denn die Entscheidung jetzt insgesamt ausgegangen? Hat unser Patentinhaber hier recht gekriegt?
00:11:27: Wie ich schon vorweggenommen habe, ja, in diesem Fall ist die Beschwerdekammer der Argumentation des Patentinhabers gefolgt.
00:11:34: Dabei hat sie sich im Wesentlichen auch auf das berufen, was die Patentinhaberin vorgebracht hat,
00:11:40: nämlich, dass eben beim Eintritt in die europäische Phase nur geänderte Zeichnungen eingereicht worden sind,
00:11:46: dass nie Zeichnungen zurückgezogen worden sind und dass eben diese zur Erteilung vorgesehene Fassung,
00:11:51: die mit der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ übermittelt worden ist, nicht die beabsichtigte Fassung war,
00:11:57: nicht die Fassung, die die Prüfungsabteilung beabsichtigt hat zu erteilen.
00:12:02: Und da differenziert sie eben, weil in der Regel 71 (3) EPÜ steht, dass dem Anmelder die Fassung mitgeteilt wird, die die Prüfungsabteilung zur Erteilung vorgesehen hat.
00:12:13: Und hier wird eben dieser feine Unterschied gezogen, dass die übermittelte Fassung eben nicht jene war, die die Prüfungsabteilung tatsächlich erteilen hätte wollen.
00:12:23: Wie stellt man eigentlich fest, ob die Fassung, die die Prüfungsabteilung für die Erteilung vorgesehen hat
00:12:28: und die objektiv mit der Mitteilung 71 (3) EPÜ im Druckexemplar mit dabei ist und an den Anmelder geschickt wird,
00:12:36: ob die jetzt tatsächlich dem Willen der Prüfungsabteilung entspricht?
00:12:43: Die Beschwerdekammer sucht nach objektiven Gründen, die dafür sprechen,
00:12:49: dass diese zur Erteilung vorgesehene Fassung nicht jene Fassung ist, die die Prüfungsabteilung eigentlich erteilen wollte.
00:12:56: In dem Fall war ausschlaggebend, dass die Patentinhaberin oder Anmelderin nie beantragt hat, die Figuren zurückzuziehen oder auszutauschen,
00:13:04: dass die Prüfungsabteilung nie mitgeteilt hat, dass sie 48 Seiten der Figuren nicht zum Verfahren zulässt,
00:13:13: dass die Patentinhaberin die Seitengebühren gezahlt hat und auch, dass in der Erwiderung auf den Prüfungsbescheid mitgeteilt worden ist,
00:13:22: dass alle anhängigen Anmeldeunterlagen aufrechterhalten werden.
00:13:26: Das heißt, man sieht also objektiv von außen, dass es zwischen allen Beteiligten völlig klar war,
00:13:32: dass immer alle 52 Seitenzeichnungen dabei sein sollen und dass eben gerade kein Verzicht auf die anderen 48 Seiten gewollt war.
00:13:42: Und zwar weder vom Anmelder noch von der Prüfungsabteilung.
00:13:44: Genau, und was sicher auch geholfen hat, dass in den amtlichen Mitteilungen immer von den Figuren 1/4 bis 4/4 die Rede war,
00:13:50: die aber ganz klar anders bezeichnet waren, nämlich dass immer der Bezug auf die 52 Seiten da war, die es insgesamt haben hätte sollen.
00:13:57: Also diese Figuren, die eigentlich zur Erteilung vorgesehen war, die hat es in dieser Form nie gegeben.
00:14:02: Die sind auch nie ins Verfahren eingeführt worden.
00:14:04: Die Prüfungsabteilung hätte eigentlich anderes im Sinn gehabt, hat eine Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ rausgegeben, die davon abgewichen ist,
00:14:12: nämlich nur mit vier Seitenzeichnungen statt mit 52 Seitenzeichnungen.
00:14:15: Und damit ist das eigentlich kein Text intended to grant.
00:14:20: Und damit ist auch die darauf basierende Zustimmung ungültig.
00:14:28: Genau, also es geht eigentlich darum, dass diese Zustimmung fehlt,
00:14:31: dass diese Zustimmungsfiktion nie eingetreten ist.
00:14:35: Und dadurch wird dem Patentenhaber ermöglicht, dass er seine Zeichnungen wieder hineinbekommt.
00:14:40: Also diese fingierte Zustimmung der Regel 71 Absatz 5 EPÜ haben wir jetzt weg.
00:14:46: Was ist denn jetzt das eigentliche Problem, das dann zur Aufhebung der Entscheidung der Prüfungsabteilung geführt hat?
00:14:52: Nachdem die Zustimmungsfektion weggefallen ist, hat die Beschwerdekammer eben den schweren Verfahrensmangel festgestellt,
00:14:59: dass nie eine Zustimmung vom Anmelder zur Fassung der Mitteilung der Regel 71 Absatz 3 EPÜ übermittelt wurde.
00:15:05: Und das stellt einen Verstoß gegen Artikel 113 Absatz 2 EPÜ dar, der erfordert, dass bei der Prüfung der europäischen Patentanmeldung immer eine vom Anmelder oder Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung vorliegen muss.
00:15:19: Und in diesem Fall war das nicht der Fall, weil eben diese Fassung nie vom Patentinhaber beantragt worden ist.
00:15:25: Gut, damit hätten wir einen schwerwiegenden Verfahrensmangel. Wie hat dann die Beschwerdekammer weiter entschieden?
00:15:30: Die Beschwerdekammer hat zurückverwiesen an die Prüfungsabteilung und hat der Prüfungsabteilung den Auftrag gegeben, das europäische Patent so zu erteilen, wie es ursprünglich beantragt war, nämlich mit der Beschreibung, den Ansprüchen und den 52 Seiten Figuren.
00:15:45: Und hat es funktioniert?
00:15:48: Ja, leider ist es noch zu einem kleinen Schluck aufgekommen beim europäischen Patentamt.
00:15:52: Es wurde dann tatsächlich eine neue Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ herausgegeben mit einem neuen Druckexemplar.
00:15:58: Und in diesem Druckexemplar waren alle 52 Seiten Figuren enthalten.
00:16:03: Leider hat aber die Seite 4 der Patentansprüche gefehlt.
00:16:06: Das ist unserem Patentinhaber aber rechtzeitig aufgefallen.
00:16:10: Das heißt, der aktuelle Verfahrenstand zum Zeitpunkt der Aufnahme dieses Podcasts,
00:16:14: ist der, dass der Patentinhaber die Herausgabe einer neuen Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ beantragt hat,
00:16:19: die jetzt bitte alle Patentansprüche und alle Zeichnungen enthalten soll.
00:16:23: Gut, dann hoffen wir, dass mit der nächsten 71 (3) EPÜ Mitteilung alle Unterlagen vollständig sind.
00:16:29: Vielleicht auch noch schaut, ob alle über 100 Seiten Beschreibung mit dabei sind.
00:16:34: Und dann wird unser Patentinhaber hoffentlich ein Patent für seinen E-Vape bekommen.
00:16:41: Ja, vielleicht ist das Patent bei unserer nächsten Folge schon in der beantragten Fassung erteilt.
00:16:47: Vielen Dank, Lukas, und auf Wiedersehen.
00:16:50: Bis zum nächsten Mal.
00:16:55: Das war ein IP Courses-Podcast.
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