G 1/19 - "Fußgängersimulation" - Entscheidung

Shownotes

In dieser Folge sprechen Gerd Hübscher und Michael Stadler über die Entscheidung G 1/19 der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts und beleuchten, wie die Große Beschwerdekammer die Fragen zur Patentierbarkeit von Simulationsverfahren beantwortet hat, die als Vorlagefragen im Zusammenhang mit einer Simulation von Fußgängerströmen gestellt wurden.

Ausgangsfall und Vorlagefragen

Der Großen Beschwerdekammer wurde ein Fall vorgelegt, der ein Simulationsverfahren für Fußgängerbewegungen betraf. Die Prüfungs- und Beschwerdeabteilungen hatten zuvor entschieden, dass eine Simulation, die keine direkte Auswirkung auf die physische Welt hat, keinen technischen Effekt aufweist. Aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen zu ähnlichen Fällen wurden drei Fragen vorgelegt:

  1. Kann eine Computersimulation zum technischen Effekt beitragen?
  2. Falls ja, welche Kriterien sind dafür maßgeblich – insbesondere reicht es aus, wenn das simulierte System selbst technisch ist?
  3. Gelten besondere Maßstäbe, wenn es um Design-Verifikationen geht (z. B. die Überprüfung technischer Entwürfe mittels Simulation)?

Der COMVIK-Ansatz und die Beurteilung der Technizität

Die Große Beschwerdekammer bestätigte, dass auch für Computersimulationen der COMVIK-Ansatz (T 641/00, besprochen in Staffel 2, Folge 24) gilt. Danach zählt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nur das, was technischen Charakter hat oder einen technischen Effekt bewirkt.

Eine Simulation kann nur dann einen technischen Effekt haben, wenn:

  • sie technische Eingangsdaten aus der realen Welt verwendet,
  • der Rechenvorgang selbst technische Überlegungen beinhaltet (z. B. hardwareoptimierte Berechnungen), oder
  • die Ergebnisse der Simulation unmittelbar in einem technischen Prozess genutzt werden.
  • Reine Simulationen ohne physische oder potenzielle Auswirkung auf die reale Welt gelten dagegen als nicht technisch.

Physikalischer und potenzieller technischer Effekt

Die Große Beschwerdekammer unterschied zwischen:

  • unmittelbarem technischem Effekt – etwa wenn reale Messdaten verarbeitet oder physische Prozesse beeinflusst werden, und
  • potenziellem technischem Effekt, wenn die Simulationsergebnisse klar darauf angelegt sind, später in einem technischen Verfahren verwendet zu werden (z. B. zur Steuerung eines Reaktors oder zur Optimierung eines Schaltkreises).

Eine rein virtuelle Simulation ohne eine solche Zweckbindung bleibt jedoch außer Betracht.

Anwendung auf den Vorlagefall

Im konkreten Fall – der Simulation von Fußgängerströmen – fehlte ein solcher technischer Zusammenhang:

  • Die Eingangsdaten waren nicht notwendigerweise technisch (das Gebäude existierte nur virtuell).
  • Das Verfahren selbst bewirkte keinen physischen oder potenziellen technischen Effekt.
  • Die Ergebnisse der Simulation waren nicht eindeutig auf eine technische Nutzung (z. B. den Bau oder die Optimierung eines Gebäudes) gerichtet.

Daher wurde der Hauptantrag als nicht erfinderisch angesehen.

Auch der Hilfsantrag, der eine „Designverifikation“ ergänzte, half nicht weiter – das Schlagwort allein genügte nicht, um Technizität zu begründen, wenn der technische Beitrag nicht konkret beschrieben ist.

Spätere Hilfsanträge und die Rolle gemessener Daten

Spätere Hilfsanträge versuchten, technische Merkmale einzufügen – etwa „gemessene Attribute“ oder „Timer“, um reale Einflüsse zu simulieren. Diese wurden entweder als zu spät eingereicht oder inhaltlich nicht erfinderisch angesehen, weil die Wechselwirkung zwischen den technischen Daten und dem Simulationsverfahren nicht klar beschrieben war.

Selbst der Versuch, die Methode auf Roboterbewegungen in echten Gebäuden zu übertragen, scheiterte – die Kammer sah darin eine völlig neue Erfindung, die zu spät im Verfahren vorgebracht wurde.

Ergebnis und Bedeutung

Die Große Beschwerdekammer stellte klar:

  • Eine Computersimulation kann patentfähig sein, wenn sie in einem technischen Kontext steht oder technische Wirkungen erzeugt.
  • Eine Simulation als solche – ohne technische Anwendung – ist nicht erfinderisch.
  • Der COMVIK-Ansatz gilt uneingeschränkt auch für Simulationen.

Zusammenfassung

Die Entscheidung G 1/19 bestätigt, dass:

  • Computersimulationen wie andere computerimplementierte Erfindungen zu behandeln sind,
  • kein physischer Link zwingend erforderlich ist, aber ein technischer Effekt vorliegen muss,
  • und dass reine virtuelle Simulationen ohne reale technische Wirkung nicht patentfähig sind.

Der zugrunde liegende Antrag blieb erfolglos; alle späteren Teilanmeldungen wurden zurückgezogen oder gelten als zurückgenommen.

Eine Computersimulation kann zur Patentierbarkeit beitragen, wenn sie auf einem Computer implementiert ist, der eine technische Wirkung entfaltet. Eine Simulation als solche, die nur eine mathematische oder gedankliche Methode abbildet, ist hingegen nicht technisch.

Die Beurteilung erfolgt nach dem COMVIK-Ansatz.

Leitsätze

  1. Für die Zwecke der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit kann eine computerimplementierte Simulation eines technischen Systems oder Verfahrens, die als solche beansprucht wird, durch Erzeugung einer technischen Wirkung, die über die Implementierung der Simulation auf einem Computer hinausgeht, eine technische Aufgabe lösen.

  2. Für diese Beurteilung ist es keine hinreichende Bedingung, dass die Simulation ganz oder teilweise auf technische Prinzipien gestützt wird, die dem simulierten System oder Verfahren zugrunde liegen.

  3. Die erste und zweite Frage sind auch dann nicht anders zu beantworten, wenn die computerimplementierte Simulation als Teil eines Entwurfsverfahrens beansprucht wird, insbesondere für die Überprüfung eines Entwurfs.

weiterführende Links

Transkript anzeigen

00:00:03: Willkommen beim IP-Courses-Podcast, dem Podcast für europäisches Patentrecht.

00:00:11: Willkommen zurück zur Entscheidung G1/19, wo wir uns letzte Woche die Vorlagefragen im Detail angesehen haben.

00:00:22: Heute wieder zu Gast Michael Stadler. Hallo Michael.

00:00:25: Hallo Gerd.

00:00:26: Jetzt bin ich gespannt, wie es weitergeht.

00:00:29: Wir haben uns ja damit beschäftigt, wie wir aus brennenden Häusern Menschen retten können,

00:00:35: beziehungsweise ob wir überhaupt feststellen können, ob ein Gebäude so geplant ist,

00:00:40: dass eben entsprechend Besucher oder Personen, Pedestrian-Ströme dadurch geleitet werden können.

00:00:47: Heute spinnt sich das wahnsinnig weiter, dass wir am Ende wahrscheinlich sogar mit Robotern durch das Gebäude fahren werden.

00:00:54: Aber bevor wir dorthin kommen, was waren denn jetzt noch einmal die Fragen, die an die Große Beschwerdekammer gerichtet wurden?

00:01:02: Ja, der Großen Beschwerdekammer wurde ein Fall eines Simulationsverfahrens für Fußgänger vorgelegt.

00:01:08: Die Idee ist die, dass man eine Umgebung vorgibt, indem man einige Fußgänger setzt und darin simuliert.

00:01:15: Und das Besondere an dem Verfahren war eben, dass diese Simulationsmethode so vorher scheinbar noch nicht bekannt war.

00:01:22: Im Prüfungs- und Beschwerdeverfahren haben Prüfungsabteilung und Beschwerdekammer vermeint, das hat keinen technischen Effekt. Ganz einfach deswegen, weil es sich hier nur um Simulation handelt, die in der echten Welt keine Auswirkungen hat.

00:01:39: Und es gab wohl gegenteilige Entscheidungen, die einer Simulation sehr wohl technischen Effekt zugeordnet haben.

00:01:46: Und daraufhin legte die Beschwerdekammer, der großen Beschwerdekammer, einige Fragen vor.

00:01:53: Wie haben denn diese Fragen jetzt konkret gelautet?

00:01:55: Die erste Frage, um die es ging, war die, ob eine Computersimulation zum technischen Effekt beitragen kann.

00:02:03: Falls das der Fall ist, stellt es sich dann im Anschluss die Frage, was denn eigentlich die relevanten Kriterien dafür sind, dass eine Computersimulation jetzt technischen Charakter hat.

00:02:15: Insbesondere reicht es aus, wenn bereits das simulierte System, also was die Simulation da konkret simuliert, bereits technisch ist.

00:02:23: Und eine Abschlussfrage beschäftigte sich dann damit, ob diese Kriterien irgendwie anders zu beurteilen sind, wenn es um eine Design-Verifikation geht.

00:02:33: Das klingt so ein bisschen danach, als ob die Beschwerdekammer da Schwierigkeiten hatte, den COMVIK Approach anzuwenden.

00:02:40: Nicht wirklich. Also die Beschwerdekammer hat gesagt, ja, all das lässt sich eigentlich grundsätzlich auch mit dem COMVIK Approach lösen.

00:02:49: Die Idee, die hinterm COMVIK Approach steckt, ist ja die, einfach zu fragen, erstens, ist das überhaupt technisch?

00:02:54: Also erfüllt das den Artikel 52?

00:02:57: Und wenn das der Fall ist, im zweiten Schritt, und das ist der, auf den es hier ankommen wird,

00:03:02: bewirkt denn das betreffende Merkmal einen technischen Effekt?

00:03:07: Nur dann, wenn das einen technischen Effekt bewirkt, nur dann spielt es sozusagen bei der erfinderischen Tätigkeit mit.

00:03:13: Und dort gab es auch die zumindest vermeintlich widersprechende Rechtsprechung?

00:03:19: Ja, genau. Da gab es unterschiedliche Ergebnisse, je nachdem, um was für eine Art von Simulation es sich gehandelt hat und auch, wie mit den Ergebnissen dieser Simulation dann umgegangen wurde.

00:03:31: Wie hat denn jetzt die große Beschwerdekammer den COMVIK Approach, wie soll ich sagen, rigoros auf das Problem angewendet?

00:03:37: Das erste Erfordernis, was angewendet wurde, und das gilt bei Simulationen wie auch bei normalen computerimplementierten Erfindungen, ist, dass alle Anwendungen über den gesamten Anspruchsbereich einen technischen Effekt haben müssen.

00:03:51: Das heißt, es reicht nicht aus, wenn man mit den Ergebnissen, die man da entweder computerimplementiert errechnet hat oder durch Simulation errechnet hat, irgendwie in der Zukunft nach menschlicher Erkenntnis, nach einzelnen Business- und Designentscheidungen dann auf etwas kommt, was vielleicht einen technischen Effekt mit sich bringt, sondern es ist zwingend erforderlich, dass sich dieser technische Effekt bereits am Ausgang des Verfahrens ergibt.

00:04:15: Und unser Hauptantrag, unser Hauptanspruch 1 war ja gerichtet im Wesentlichen auf die Art und Weise, wie die Simulation durchgeführt wird, ohne aber tatsächlich dann irgendwie ein Ergebnis mit sich zu bringen.

00:04:28: Genau das, was insgesamt impliziert war, war das Designen von Häusern. Davon stand aber im Patentanspruch nichts. Und auch sonst war das alles andere als klar, dass damit nur Häuser designt werden können. Man könnte sich genauso gut auch andere Anwendungsfälle überlegen, wie zum Beispiel Sicherheitseinrichtungen, die so einen Fußgängerstrom überwachen oder ähnliches.

00:04:49: Aber gut, so eine Sicherheitseinrichtung hätte ja auch einen technischen Effekt. Was wäre denn eine Anwendung, die keinen technischen Effekt hätte?

00:04:55: Zum Beispiel, dass man nur Fußgängerströme überwacht und sich einfach anschaut, wie sich die Fußgänger so verhalten in einzelnen Gebäuden.

00:05:05: Okay, also das heißt, wir wären an der Stelle eigentlich schon mangels Technizität fertig.

00:05:09: Im Prinzip ja.

00:05:10: Also da haben wir uns noch überhaupt nicht mit der Simulation beschäftigt und daher sind wir auch noch überhaupt nicht auf die Vorlagefragen eingegangen.

00:05:16: In welchen Bereichen ist denn der COMVIK Approach jetzt spezifisch für Simulationen interessant?

00:05:21: Bei Simulationen gibt es im Prinzip drei Schritte, die irgendwie technischen Charakter haben können oder auch nicht, wo man sich das näher anschauen muss. Die erste Möglichkeit ist die, dass man mit technischen Eingangsdaten operiert und dann basierend auf diesen technischen Eingangsdaten eine Aussage über die reale Welt trifft, die dann irgendwie besser oder schlüssiger ist, als das rein die technischen Eingangsdaten tun.

00:05:46: Gut, im vorliegenden Fall haben wir schon technische Eingangsdaten gehabt, die haben wir in dem Plan gehabt von einem Gebäude.

00:05:52: Das ist nicht so ganz klar, ob das überhaupt der Fall ist, denn unter technischen Eingangsdaten versteht man normalerweise Daten, die in der echten Welt irgendwo gemessen wurden.

00:06:03: Das Problem hier war, das Gebäude, das gibt es ja nicht einmal.

00:06:06: Das ist ja, oder nicht, das Gebäude, das gibt es ja nicht notwendigerweise.

00:06:10: Es kann sein, dass es in echt besteht. Der Patentanspruch sagt aber mit keinem Wort, dass das ein echtes, reales Gebäude sein muss.

00:06:18: Also ich habe Eingangsdaten, die nicht im gesamten Anwendungsbereich technisch sein müssen.

00:06:23: Genau. Und der Hauptanwendungsfall, um den es bei der Erfindung geht, das ist das Design von Gebäuden, wo man dann möglicherweise auch irgendwelche Änderungen an dem Gebäude vornimmt.

00:06:34: Da stelle ich mir schon die Frage, wie kann das mit einem Gebäude geschehen, das tatsächlich besteht?

00:06:40: Also würde das dann laufend modifiziert, das wäre ein bisschen eigenartig.

00:06:45: Okay, also soviel zu den Eingangsdaten. Was kann denn jetzt noch technisch sein bei so einer Simulation?

00:06:50: Es ist auch möglich, dass die Berechnung selbst, also das, was das Verfahren selbst vorschlägt, technisch ist,

00:06:58: weil eine konkrete Rechenart verbessert wird.

00:07:01: Wir haben zwar den Ausschluss der mathematischen Methoden von der Patentierung, aber beispielsweise eine Hardware-Optimierung, die jetzt speziell darauf abgestimmt ist, diese Berechnung zu verbessern, die ließe sich eventuell patentieren.

00:07:13: Aber auch da gab es bei unserer Erfindung jetzt keine wirklichen Anhaltspunkte, dass man sich in die Richtung bewegen wollte.

00:07:19: Können nicht auch technische Überlegungen da eine Rolle spielen?

00:07:21: Also ich komme aus der Elektrotechnik, da ist bei der Simulation immer das große Thema von Randbedingungen.

00:07:26: Wähle die Randbedingungen richtig und du kriegst ein vernünftiges Ergebnis bei der Simulation oder mach es nicht und du kriegst Mist. Kann nicht so eine Überlegung auch irgendwie hineinspielen bei der Simulation?

00:07:37: Da kommt es jetzt, und das ist, glaube ich, unser dritter Punkt, dann darauf an, ob im Ergebnis technische Effekte erzielt werden können oder nicht.

00:07:44: Wenn diese Simulation mir bessere Ergebnisse liefert, die ich dann unmittelbar verwenden kann, um zum Beispiel eine elektrische Schaltung zu konzipieren,

00:07:54: dann habe ich eigentlich einen technischen Effekt dieses Simulationsverfahrens über die gesamte Anspruchsbreite,

00:08:00: weil die einzige sinnvolle Variante, diese Ergebnisse, die da rauskommen, auszuwerten,

00:08:05: die würde dann darin liegen, den Schaltkreis auch tatsächlich zu bauen.

00:08:09: Sagst du, die einzig sinnvolle Variante, das klingt anders als vorher über den gesamten Anspruchsbereich.

00:08:16: Hat da die Große Beschwerdekammer differenziert zwischen dem, was theoretisch möglich ist

00:08:21: und dem, was, ich nehme an, die Fachperson auch machen würde, wenn sie die Anmeldung in ihrer Gesamtheit liest?

00:08:27: So genau sagt sie es leider nicht. Wir haben aber bei der elektrischen Simulation, wie auch bei der Simulation des Kernreaktors, schon Ausgaben, die relativ spezifisch darauf gerichtet sind, dass man mit diesen Daten dann im Endeffekt etwas tut.

00:08:41: Nämlich eine Schaltung auf eine bestimmte Weise baut oder einen Kernreaktor auf eine bestimmte Weise betreibt.

00:08:46: Also die Ergebnisse haben schon Bedeutungen, die eins zu eins verwendbar sind, um dann einen technischen Prozess zu betreiben.

00:08:54: Sie haben ja schon immer wieder so ein bisschen eine Vorausschau versucht. Wie hat denn jetzt die große Beschwerdekammer das auf den konkreten Einzelfall angewendet? Also hat sie das überhaupt zunächst einmal? Muss sie ja nicht unbedingt. Oder war sie der Meinung, die Beschwerdekammer kann ohnehin mit dem umgehen, was sie da von sich gegeben hat? Oder wie ist das jetzt in der Mechanik genau auf das konkrete Vorlageproblem angewandt worden?

00:09:16: Also das konkrete Vorlageproblem haben Sie jetzt nicht eins zu eins durchdekliniert.

00:09:20: Es ist dann der Beschwerdekammer im fortgesetzten Verfahren übergeblieben.

00:09:25: Die Große Beschwerdekammer hat nur ein paar generelle Dinge betrachtet,

00:09:29: die im Allgemeinen für Computer implementierte Erfindungen,

00:09:32: im Besonderen aber für Computersimulationen relevant sind.

00:09:36: Der erste Punkt, der da interessant ist, ist der Physical Link.

00:09:40: Das war zwar so nicht ausdrücklich gefragt, die Kammer hat es aber beantwortet.

00:09:45: Sie hat nämlich gesagt, so ein Physical Link, also einen direkten physikalischen Eingriff in die echte Welt, der ist nicht zwingend notwendig.

00:09:53: Die Kammer erkennt aber grundsätzlich an, dass das ausreichend ist.

00:09:56: Das heißt, wenn es so einen Physical Link gibt, dann wird das Merkmal in aller Regel technisch sein.

00:10:01: Vor allem dann, wenn es in einen technischen Prozess eingreift.

00:10:04: Das wäre also dieser unmittelbare technische Effekt oder auch das unmittelbare Messen von Daten, so wie wir es vorhin besprochen haben.

00:10:11: Genau, das unmittelbare Messen oder das unmittelbare Eingreifen aufgrund der Simulation.

00:10:16: Wir haben einmal diese physischen Effekte, wo ich also tatsächlich Parameter aus der reellen Welt messe und unmittelbar verarbeite und eben wichtig, dass auch konkret im Anspruch steht.

00:10:26: Oder wo ich eine Rückwirkung habe nach der Simulation, die auch wirklich wieder unmittelbar einen Effekt in der physikalischen Welt erzeugt.

00:10:33: Jetzt haben wir vorher schon gesprochen, es gibt ja diesen indirekten Zusammenhang, dass ich also irgendwelche Dinge herausbekomme aus meiner Simulation, wo klar ist oder wo klar sein muss, dass ich die unmittelbar in der physikalischen Welt dann doch anwenden kann, auch wenn es nicht explizit dasteht.

00:10:50: Genau, die Große Beschwerdekammer bezeichnet es als potenziellen technischen Effekt.

00:10:54: Der Klassiker ist hier das Computerprogrammprodukt oder der Datenträger, auf dem ein Programm abgespeichert ist, mit dem man dann das Verfahren auch durchführen kann.

00:11:04: Dahinter steckt meiner Ansicht nach einfach die Idee, dass man das Verfahren nicht so ohne weiteres durchsetzen kann, vor allem nicht gegen jemanden, der einfach Datenträger verkauft oder zur Verfügung stellt.

00:11:16: Und so hat sich herausgebildet, dass auch ein potenzieller technischer Effekt eben ausreichend sein kann.

00:11:23: Die Frage ist immer, hat das, was das Verfahren liefert oder das Produkt, worum auch immer es geht bei der Erfindung,

00:11:29: das Potenzial, einen technischen Effekt zu bewirken, wenn man es richtig oder bestimmungsgemäß einsetzt?

00:11:36: In dem Sinn, wenn man den Kernreaktor aus der Vorlagefrage zurückdenken,

00:11:40: Ist es klar, wie man diese Werte, diese Maximalwerte verwendet, um den Betrieb sicherer zu machen oder nicht?

00:11:47: Gibt es da einen ganz eindeutigen Anwendungsfall, ja oder nein?

00:11:50: Jetzt haben wir im vorliegenden Fall eingangs erwähnt, dass es ja diesen potenziellen technischen Effekt zwar vielleicht gibt,

00:11:57: aber er nicht in der gesamten Breite der Anspruchsformulierung vorliegt, also dass er damit praktisch nicht vorliegt.

00:12:04: Gab es das Argument von der Anmelderin dagegen?

00:12:08: Das Argument der Anmelderin war das, dass ja auch die nachgebildete oder simulierte Technik technisch ist und damit einen technischen Effekt hat.

00:12:16: Also man simuliert ja jetzt nicht irgendwie Aktienkurse oder reine Gedankenkonstrukte, sondern man simuliert echte Menschen, wie sie sich durch die Welt bewegen.

00:12:26: Ich kann dem schon was abgewinnen. Ich meine, hast du nicht auch manchmal den Eindruck, dass das Patentrecht dem schon ein bisschen hinterherhinkt?

00:12:35: Ich meine, wir haben virtuelle Rechenzentren, virtuelle Maschinen, wir haben Software-Container, die irgendwo virtuell laufen, wo es virtuelle Netzwerke gibt und so weiter.

00:12:45: Also diese Trennung zwischen dem physikalischen und dem virtuellen Abstraktionslayer darauf ist ja gerade in der Software-Implementierung und in den Software-Erfindungen ganz, ganz hoch oder generell in den IT-Systemen.

00:12:57: Ist das nicht irgendwie aus der Sicht des IT-Technikers ein viel natürlicherer Zugang?

00:13:01: Es liegt natürlich in der Sicht des IT-Technikers, Dinge möglichst zu abstrahieren, um sich dann im Einzelfall nicht Gedanken über alle möglichen Implementierungsdetails machen zu müssen. Das ist die eine Sicht und es ist mir klar, warum das so ist. Andererseits ist die Idee, die hinter dem Patentrecht steckt, ja die, konkrete reale Erfindungen zu schützen. Und da kommt es natürlich dann schon darauf an, welchen echten Effekt hat diese Erfindung.

00:13:28: Dann reicht es meiner Ansicht nachher auch nicht nur aus, zu sagen, gut, es ist völlig egal, ob hier Menschen echt gehen oder ob die auf einem Computer gerechnet werden.

00:13:38: Also das heißt, es geht nicht darum, ob ich jetzt diese Simulation in Hardware implementiert habe, diskret das Schaltung aufgebaut habe oder ob sie in einem virtuellen Container auf irgendeiner virtuellen Infrastruktur läuft,

00:13:50: sondern es geht ganz einfach darum, ob das Ergebnis beziehungsweise die Simulation selbst einen technischen Beitrag leistet.

00:13:58: Genau, und selbst wenn wir nur das Simulationsgebiet wechseln, selbst wenn du eine Wellensimulation machen würdest anhand von einem 20 Meter großen Wellenbad, in dem du die großen Meereswellen simulierst, auch dann würde die Simulation nur dann einen technischen Effekt mit sich bringen,

00:14:16: wann das, was da ausgerechnet oder in analoger Weise simuliert wird,

00:14:22: in der echten Welt außerhalb dieses Simulationsbeckens irgendwelche Effekte mit sich bringen würde.

00:14:28: Sonst würdest du einfach nur in einer großen Halle mit Wasser spielen.

00:14:32: Gut, also das heißt, wir haben jetzt differenziert den wirklich unmittelbar physikalischen Effekt,

00:14:38: den möglichen nachgeschalteten oder auch potenziellen technischen Effekt

00:14:42: und eben diesen berechneten oder virtuellen Effekt, wie der Anmelder versucht hat, das zu argumentieren.

00:14:49: Der dürfte dich nicht so wirklich überzeugen. Hat es denn die Große Beschwerdekammer überzeugt?

00:14:53: Auf mich kommt es nicht an, aber auch die Große Beschwerdekammer hat es nicht überzeugt.

00:14:57: Wie hat denn die Große Beschwerdekammer also die Fragen beantwortet?

00:15:00: Also was die erste Frage betrifft, ist die wichtigste Aussage, dass ein Schritt der Computersimulation nicht schadet,

00:15:08: wie auch ein sonstiger computerimplementierter Schritt nicht schadet.

00:15:12: Computersimulationen können daher auch in Zukunft patentiert werden,

00:15:15: unter der Voraussetzung, dass irgendwo in dieser Erfindung ein technischer Effekt besteht.

00:15:20: Das ist aber schon spannend.

00:15:21: Wenn ich den Anspruch auf die Computersimulation als solche richte,

00:15:25: dann kann sich ja eigentlich nur mehr ein potenzieller technischer Effekt einstellen.

00:15:28: Das wäre aber dann ausreichend.

00:15:30: Ja.

00:15:30: Verstanden.

00:15:33: Genau.

00:15:34: Also die Simulationsmethode nur für sich bewirkt grundsätzlich keinen technischen Effekt,

00:15:40: solange es nicht irgendeinen Kontext gibt, in dem sie verwendet wird.

00:15:43: Und der Kontext kann jetzt implizit vorhanden sein,

00:15:47: einfach weil die einzige Möglichkeit, die Simulationsergebnisse zu verwenden,

00:15:52: halt ohnehin auf der Hand liegt.

00:15:54: Das heißt, man müsste richtigerweise eigentlich sagen,

00:15:56: dass der Schritt der Computersimulation als solcher nicht schade

00:16:00: oder eigentlich schon schaden würde,

00:16:03: genauso wie die Software als solche von der Patentfähigkeit ausgenommen ist.

00:16:07: Also genauso wäre auch die Computersimulation als solche ausgenommen, aber nicht, wenn sie eine technische Anwendung hat.

00:16:14: Genau. Wenn ich ausschließlich die Simulationsmethode schützen würde, dann was hätten wir dann überhaupt?

00:16:22: Dann hätten wir eine physikalische Theorie über irgendeinen Vorgang in der Welt, zum Beispiel wie Fußgänger sich bewegen,

00:16:28: und eine mathematische Methode, die das entsprechend simuliert.

00:16:33: Das heißt, wir würden die Ausschlusstatbestände vom Artikel 52 Absatz 2 negieren.

00:16:37: Klingt jetzt schon ein bisschen wie die Antwort auf Frage 2.

00:16:40: Genau. Wenn ich die erfinderische Tätigkeit von einem solchen Verfahren beurteilen möchte,

00:16:45: dann reicht es eben nicht aus, wenn das, was da simuliert wird, irgendwie konkret in der echten Welt passiert,

00:16:52: sondern man braucht schon etwas mehr.

00:16:55: Entweder ich verbessere das Computersystem selbst mit besserer Hardware

00:16:59: oder ich habe aber eine konkrete Anwendung, bei der mir die Simulation hilft.

00:17:05: Macht jetzt einen Unterschied oder ist die Designverifikation, so wie es in der Frage 3 dann formuliert war,

00:17:12: ist das schon so eine technische Anwendung?

00:17:14: Nein. Die Große Beschwerdekammer hat sich auf dieses Detail eigentlich überhaupt nicht eingelassen.

00:17:20: Was irgendwie klar ist, dass Designverifikation als reines Passwort einen Patentanspruch jetzt nicht einfach technisch macht

00:17:27: oder dem technischen Effekt verleiht.

00:17:30: Der COMVIK Approach sagt immer nur, dass ich etwas Technisches im Rahmen des Verfahrens tun muss und es gibt jetzt keine Spezialregel dafür, wann ein solcher Designprozess technisch ist oder nicht.

00:17:41: Es wird wohl Designprozesse geben, wo man Technisches tut und es wird euch welche geben, wo es sowas einfach überhaupt nicht gibt.

00:17:48: Computerprogrammprodukt macht es aber schon technisch als Passwort.

00:17:52: Programmprodukt macht es grundsätzlich technisch als Passwort, aber auch da brauche ich im Endeffekt ein Verfahren, das etwas Technisches tut.

00:18:00: Denn sonst wäre das Computerprogrammprodukt auch nicht potenziell dazu in der Lage, ein technisches Verfahren auszuführen.

00:18:08: Also ein Computerprogrammprodukt, mit dem ich eine numerische Integration toll durchführen kann, ist meiner Ansicht nach auch nicht erfinderisch,

00:18:17: weil die numerische Integration keinen technischen Effekt mit sich bringt

00:18:22: und damit hat auch das Computerprogrammprodukt keinen potenziell technischen Effekt,

00:18:26: weil das erbt das Computerprogrammprodukt ja immer vom Verfahren, auf das es sich bezieht,

00:18:30: dass es implementiert.

00:18:32: Und wenn es auf Computer ausgeführt wird?

00:18:34: Auch das wird für die erfinderische Tätigkeit nichts ändern,

00:18:37: weil dann hätten wir das Verfahren als solches,

00:18:40: das, weil es nur numerische Integration tut, einfach keinen technischen Effekt mit sich bringt.

00:18:46: Es sei denn, und das ist wieder das Gegenbeispiel dazu, in der Integration selbst würde irgendetwas Technisches stattfinden.

00:18:53: Zum Beispiel es wäre irgendein spezieller elektrischer Schaltkreis, der die Integration beschleunigen würde.

00:18:58: Und das passiert also bei der Design-Verifikation auch nicht?

00:19:01: Also zumindest nicht auf dem Abstraktionslevel, auf dem es da gehandelt wird?

00:19:04: Genau, es mag wohl sein, dass es Design-Verifikationen gibt, bei denen das funktionieren könnte.

00:19:12: Ich stelle mir etwa vor, ein Gebäude, das da konkret betroffen ist,

00:19:16: mit Wänden, die sich verbreiten und verschmälern lassen oder ähnliches futuristisches Zeug.

00:19:21: Und da mag es sein, dass der Designprozess dann tatsächlich optimiert werden könnte.

00:19:27: Aber einfach nur Designprozess zu schreiben allein reicht nicht aus.

00:19:30: Wenn man die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer, die 1 aus 19, also kurz zusammenfassen wollte,

00:19:35: vielleicht zu kurz, aber dann ist es doch im Wesentlichen,

00:19:39: Auch für Computersimulationen ist der COMVIK Approach voll anwendbar und Computersimulationen sind auch nur Software.

00:19:46: Genau.

00:19:46: Was hat jetzt die Kammer daraus gemacht aus dieser Erkenntnis?

00:19:50: Der Fall ist zur Beschwerdekammer, die vorgelegt hat, zurückgeschickt worden.

00:19:54: Und es gab da einen Hauptantrag und der Hauptantrag des Anmelders ist eigentlich dasselbe geblieben.

00:20:02: Es war eben unser Simulationsverfahren, mit dem die Fußgänger simuliert wurden.

00:20:08: Und in unserem Fall waren dann die Antworten eins und zwei relevant, nämlich erstens, ja, die Simulation kann technischen Effekt haben.

00:20:16: Und nein, es reicht nicht aus, dass das simulierte System ein technisches ist.

00:20:21: Damit fallen wir im Prinzip auf den COMVIK Approach zurück und kommen zum Schluss, dass die bloß virtuellen Bewegungsdaten der Fußgänger einfach nicht ausreichend sind, dass das gesamte System technisch wird.

00:20:35: Und zwar auch dann, wenn der Prozess, der da simuliert wird, nämlich das Gehen der Fußgänger, grundsätzlich ein technischer ist.

00:20:42: Der Hauptantrag war damit nicht erfinderisch.

00:20:45: Jetzt hast du zwar schon gesagt zur Frage 3, aber es gab ja auch einen Hilfsantrag, der konkret auf diesen Designaspekt gerichtet war, nämlich der Hilfsantrag 4.

00:20:54: Genau, die anderen Hilfsanträge hatten dasselbe Problem, damit kommen wir zu Hilfsantrag 4.

00:20:59: Und das Problem hier war, dass im Patentanspruch nicht erklärt war, wie die einzelnen Daten konkret genutzt werden, um das Gebäude zu verbessern.

00:21:08: Es war einfach nur im Patentanspruch erwähnt, dass hier eine Designverifikation stattfindet.

00:21:14: Und da eben überhaupt unklar war, was sich da jetzt konkret verbessert, hat das Wort Designverifikation einfach nicht ausgereicht.

00:21:23: Es gab auch keine implizite Bedeutung, was das im konkreten Kontext bedeutet.

00:21:28: Und daher war auch dieser Hilfsantrag 4 nicht erfinderisch.

00:21:32: Hätte es einen Unterschied gemacht, wenn es in der Beschreibung gestanden wäre?

00:21:35: Vor allem nach der G1/24?

00:21:38: Möglicherweise, ja.

00:21:39: Zumindest wäre die Angelegenheit rettbar gewesen durch Aufnahme dieser weiteren Merkmale.

00:21:45: Das war also alles nicht vom Erfolg gekrönt.

00:21:48: Jetzt hat aus meiner Sicht die Anmelderin noch versucht, so ein paar Dinge auszuprobieren, kommt mir vor.

00:21:55: Bei den Hilfsanträgen 7 und 8 ging es jetzt um das Thema der Eingangsdaten, ob die technisch sind.

00:22:01: Genau. Mit den Erkenntnissen, die die Anmelderin aus der Entscheidung G1/19 gewonnen hatte,

00:22:08: hat man dann folgendes versucht, nämlich für den zweiten Anlauf bei der Beschwerdekammer,

00:22:13: dass man hier Messwerte verwendet hat, um das menschliche Verhalten besser zu simulieren.

00:22:19: Man hat also so Verteilungsfunktionen angenommen, wie die Personen, wie geduldig die Personen sind,

00:22:25: wie viel Freiraum sie brauchen und hat das aufgrund von Messwerten angenommen.

00:22:30: Und der Patentanspruch hat also im Wesentlichen nur gesagt, dass das Profil, das also all diese Daten enthält,

00:22:37: das ist basiert auf einer Menge von gemessenen Attributen.

00:22:41: In Reaktion auf die Große Beschwerdekammer hin und her, da schrien bei mir alle Alarmglocken,

00:22:47: wenn Hilfsanträge nach der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer eingebracht werden.

00:22:52: Hat sich denn die Beschwerdekammer überhaupt noch damit beschäftigen wollen, müssen, sollen?

00:23:00: Sie hat es gemacht in dem Fall.

00:23:02: Und ihr wart durchaus klar und seid ihr diskutiert, dass der Antrag sehr spät im Verfahren eingereicht wurde.

00:23:07: Also nur zur Klarstellung, es ging hier um ein Anmeldeverfahren.

00:23:11: Das heißt, wir hatten keinen einsprechenden, aber dennoch war das relativ spät im Verfahren.

00:23:16: Und eine Feststellung hat die Kammer auch gemacht, nämlich, dass weder die Beschwerdekammer selbst noch die große Beschwerdekammer dem Anmelder hier irgendwelche Hinweise geben müssen.

00:23:27: Das heißt, es liegt schon am Anmelder selbst.

00:23:30: Was diesen Hilfsantrag betrifft, hat die Beschwerdekammer aber zugelassen,

00:23:35: weil sie gemeint hat, dass das einfach in der Handhabung ist

00:23:38: und dass man möglicherweise in Einzelfällen diese neu hinzugekommene Stellungnahme,

00:23:45: Entscheidung der Großen Beschwerdekammer jetzt doch als Grund ansehen kann,

00:23:49: dass die Anmelderin hier noch neue Ansprüche einreicht.

00:23:53: Das ist schon spannend, weil die Große Beschwerdekammer darf der Beschwerdekammer Hinweise geben,

00:23:57: aber nicht dem Anmelder.

00:23:59: Ja, das ist die Sichtweise, die die Beschwerdekammer hier offensichtlich verfolgt.

00:24:03: In dem Fall war man etwas großzügiger.

00:24:06: Man muss insgesamt dazu sagen, auch wenn das Verfahren schon lange dauert,

00:24:09: in der Situation kann die Anmelderin ja immer noch eine Teilanmeldung einreichen.

00:24:13: Wie dem auch sei, die Beschwerdekammer hat sich also offensichtlich mit dem Hilfsantrag beschäftigt.

00:24:18: Auch hat die Lehre der großen Beschwerdekammer angewendet.

00:24:21: Und zu welchem Schluss ist sie denn gekommen?

00:24:24: Die Kammer hat es inhaltlich geprüft und mangelndes erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.

00:24:29: Das Problem war, grundsätzlich hätte das schon funktioniert, wenn man hier Messwerte eingebracht hätte.

00:24:35: Der Punkt war nur der, dass im Patentanspruch überhaupt keine Aussage darüber getroffen wurde,

00:24:40: wie die einzelnen gemessenen Attribute sich jetzt konkret auf das Verfahren insgesamt auswirken.

00:24:48: Also hier fehlt es nach Auffassung der Kammer an einer Wechselbeziehung.

00:24:52: Also einfach nur measured attributes, also gemessene Attribute in den Patentanspruch einzufügen,

00:24:58: Das ist auch kein Passwort, das das Merkmal mit einem technischen Effekt versieht und den Patentanspruch insgesamt erfinderisch macht.

00:25:05: Zumal ja, wie wir eingangs beschrieben haben, fraglich ist, ob denn so ein virtueller Plan überhaupt irgendwie gemessen ist oder ob das physikalisch gemessene Werte sind oder andere.

00:25:14: Genau, es ist die Art der Messung aus dem Patentanspruch jetzt nicht wirklich klar hervorgegangen.

00:25:20: Jetzt war das nicht der einzige Versuch. Im Hilfsantrag 9 gab es dann noch mehr Technik.

00:25:28: Genau, hier hat man versucht, einen Timer einzubauen.

00:25:33: Der war offenbar dafür da, Warteperioden für den Fußgänger einzuführen.

00:25:38: Offenbar mit der Idee, dass der Fußgänger stehen bleiben sollte, aber so ganz klar war das nicht.

00:25:47: Die Kammer hatte initial schon einmal Klarheitsprobleme.

00:25:50: Also die Frage, wie hängt das mit dem Rest zusammen und was ist jetzt konkret dieser Timer?

00:25:56: Und woher kommen diese Messungen? Wie hängt das alles zusammen?

00:26:00: Und jetzt hat die Kammer den schnellen Ausweg gewählt und gesagt,

00:26:05: das wird jetzt nicht mehr ins Verfahren zugelassen, weil es verspätet ist

00:26:09: und weil es zu aufwendig wäre, sich das jetzt in diesem späten Verfahrensstadium nochmal anzusehen.

00:26:14: Oder die Geduld der Kammer wirkt also schon etwas strapaziert,

00:26:17: aber jetzt zum großen krönenden Abschluss kommen endlich die Roboter.

00:26:22: Genau, jetzt kommen die Roboter ins Spiel.

00:26:24: Hier hat jetzt die Anmelderin versucht, auf etwas Echtes umzuschwenken,

00:26:30: also auf eine Anwendung, die auf jeden Fall in der echten Welt stattfindet.

00:26:34: Nämlich hat sie jetzt diese gesamte Vorgehensweise,

00:26:37: wie sie zuvor einfach nur simuliert beschrieben war,

00:26:40: jetzt in einen beweglichen Roboter verpflanzt,

00:26:43: der sich also durch diese Umgebung, durch dieses Gebäude oder was auch immer es ist,

00:26:47: hindurch bewegen kann.

00:26:49: Möglicherweise will man mit diesen Robotern jetzt den echten Raum explorieren,

00:26:54: untersuchen oder ähnliches.

00:26:57: Also ich verstehe den Ansatz, das quasi mit der Brechstange technisch zu machen,

00:27:02: aber würde das denn vom Schutzbereich noch sinnvoll sein, dass da jetzt Roboter tatsächlich herumfahren?

00:27:08: Also ob das ein sinnvolles Patent wäre und ob es da einen wirtschaftlichen Anwendungsfall für den Zweck gibt,

00:27:14: weiß ich nicht und ich habe mich da auch in der Vergangenheit schon mehrfach überraschen lassen dürfen,

00:27:20: dass Dinge, die ich für nicht so sinnvoll angesehen habe, dann doch wertvoll gewesen sind.

00:27:28: Aber hat es denn was gebracht?

00:27:32: Mir fällt aber kein Anwendungsfall ein.

00:27:35: Nein, ich sehe die Problematik einfach darin, wenn ich jetzt tatsächlich so ein Gebäude,

00:27:40: erstens einmal will ich das Gebäude ja virtuell validieren, bevor ich es bauen muss.

00:27:44: Und selbst wenn ich es gebaut habe, ist die Frage, ob ich mir jetzt wirklich eine große Anzahl von Robotern anschaffe,

00:27:49: um das zu validieren, die ich dann nachher, zumindest für den Anwendungsfall, ohnehin nicht mehr brauche.

00:27:54: Also ich finde, das wirkt zumindest so, als hätte man da einfach noch ausgetestet,

00:27:58: ob man nicht vielleicht doch noch ein Patent bekommt.

00:28:02: War denn dieser Versuch der Technizität mit der Brechstange Roboter erfolgreich?

00:28:11: Die Kammer hat sich ein bisschen inhaltlich damit auseinandergesetzt.

00:28:16: Artikel 123 (2) EPÜ dürfte kein Problem gewesen sein, denn die Idee hatte der Anmelder schon ganz zu Beginn.

00:28:22: Das war sogar schon in einem ursprünglichen Anspruch enthalten, dass man also der Roboter verwendet.

00:28:28: Die Kammer hat es aber nicht zugelassen.

00:28:29: Das heißt, sie haben sich mit der erfinderischen Tätigkeit überhaupt nicht beschäftigt,

00:28:33: weil, und auch hier, wir sind schon sehr spät im Verfahren, zu einem sehr späten Stadium im Verfahren.

00:28:39: Und hier handelt es sich um die Auswechslung der beanspruchten Erfindung,

00:28:43: denn zunächst wurde er praktisch nur vom Computer simuliert.

00:28:46: Jetzt haben wir einen Roboter, der für sich allein dieses Simulationsprogramm anwendet.

00:28:53: Aber sie werden ja nur gesteuert, die Roboter, oder?

00:28:56: Also die Simulation läuft nicht im Roboter, sondern es könnte auch der Computer den Roboter steuern.

00:29:01: Ja, der Patentanspruch schreibt nur eine Methode zum Kontrollieren der Bewegungen eines Roboters vor,

00:29:08: wo das tatsächlich stattfindet, also ob dieser Rechner jetzt extern steht und der Roboter ferngesteuert wird

00:29:14: oder ob der Computer im Roboter ist, ist im Patentanspruch, soweit ich es überblicke, überhaupt nicht enthalten.

00:29:21: Es macht im Endeffekt aber auch keinen Unterschied.

00:29:24: Der Roboter wäre grundsätzlich eine technische Einheit und seine Bewegung im echten Raum würde möglicherweise auch einen technischen Effekt bewirken.

00:29:32: Das Problem ist, die Kammer hat es jetzt nicht mehr zugelassen, weil eben eine komplett andere Erfindung hier vorgelegen hat,

00:29:39: nämlich, dass man zunächst einfach nur diese Gegenstände virtuell simuliert hat

00:29:44: und jetzt sagt, gut, ich habe Roboter, die entsprechend des Simulationsverfahrens aus der Erfindung gesteuert werden.

00:29:50: Also ich habe vorher eigentlich den Gedanken gehabt, dass ich dieses Gebäude oder den Gebäudeplan verifiziere nach Designaspekten

00:29:57: und das war abweichend von der Steuerung von einem Roboter im konkreten Fall,

00:30:02: weil das ja eigentlich mit der Validierung nichts mehr zu tun hat.

00:30:05: Ja, warum der Roboter da jetzt herumfährt, ist so nicht ganz klar, weil die Gebäudeverifikation ist es nicht mehr.

00:30:15: Es ist möglicherweise das Ausprobieren in einem realen Gebäude, ob das entsprechende Fluchtwege hat oder wie sich Fußgänger da drinnen ausbreiten.

00:30:25: Dass man da einen Roboterschwarm auf das Gebäude loslässt, das wäre möglicherweise eine Anwendung.

00:30:30: Wie gesagt, im vorliegenden Fall einfach zu spät vorgebracht.

00:30:34: Aber das war ja noch nach der alten Verfahrensordnung.

00:30:36: Ja, auch für die war es jetzt zu verspätet.

00:30:43: Und ich würde auch mal sagen, dass die Beschwerdekammer an der Stelle einfach genug hatte

00:30:48: und die einfach angenommen hat, dass es jetzt trotzdem zu spät war,

00:30:51: und zwar auch nach der alten Verfahrensordnung.

00:30:53: Weißt du, ob dann auch die Anmelderin genug hatte oder gab es da eine Teilanmeldung?

00:30:58: Soweit ich es sehe, sind jetzt alle diese Anmeldungen erloschen.

00:31:02: Es gab wohl drei Teilanmeldungen, die wurden aber alle zurückgezogen oder gelten als zurückgezogen seit spätestens 2022.

00:31:10: Dann vielen Dank, Michael. Wir hören uns wieder nächste Woche.

00:31:19: Das war ein IP-Courses-Podcast.

00:31:22: Für Feedback schreiben Sie uns an podcast@ipcourses.org,

00:31:27: Abonnieren Sie den Podcast und entdecken Sie weitere Informationen und Kursangebote auf www.ipcourses.org.

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